KünstlerInnen
Biografien der KünstlerInnen im Bereich Hinterglasmalerei sowie kunsttechnologisch-materialanalytische Dossiers zu ausgewählten Hinterglasbildern im Rahmen des Forschungsprojekts über die "Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne 1905–1955".
A
Albers, Josef (Bottrop 1888 - 1976 New Haven, Connecticut)
Josef Albers, Künstler und Lehrer, u.a. am Bauhaus, besuchte von 1905 bis 1908 das Lehrerseminar und unterrichtete bis 1913 als Volksschullehrer. Nach dem Studium an der Königlichen Kunstschule in Berlin (1913–1915) sowie der Kunstgewerbeschule in Essen (1916–1919) studierte Albers an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin und der Kunstakademie in München (1919–1920).
1920 absolvierte er den Vorkurs am Bauhaus Weimar von Johannes Itten, der die künstlerischen Grundlagen für das handwerkliche Gestalten in den Bauhauswerkstätten vermittelte, und anschließend die Werkstatt für Glasmalerei, wo Albers später als Werkmeister für Glas tätig wurde. Albers lehrte von 1923 bis 1928 unter Walter Gropius nach dem Abschied von Itten, zunächst als Jungmeister und ab 1925 als Bauhausmeister. Er leitete in seiner Lehre stets Formen und Funktionen aus den Eigenschaften von Materialien und ihren Möglichkeiten ab. 1925 zog Albers mit dem Bauhaus nach Dessau um, wo der Künstler 1932 in einer ersten umfassenden Einzelausstellung seine Glasarbeiten präsentierte. Nach dem Umzug des Lehrbetriebs nach Berlin im Oktober 1932 lehrte Albers zusätzlich Zeichnen und Schrift. 1933, nach der Schließung des Bauhauses unter den Nationalsozialisten, emigrierte Albers in die Vereinigten Staaten.
Der Werkstoff Glas war für Albers bereits an der Kunstgewerbeschule in Essen unter Jan Thorn-Prikker (1868–1932) ein bedeutsames Material geworden. Er wurde mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß neben der Farbe auch das reale Licht für eine transzendente Bildwirkung in Betracht käme. In »Fliegend«, eine Glasarbeit von 1931 (Staatsgalerie Stuttgart), bestehend aus opakem Milchglas mit eingelassenen schwarzen und roten Streifenmustern, tritt das Licht nicht durch Transparenz, sondern durch die Reflektion der Oberfläche in Erscheinung. In typischer Hinterglastechnik unter Anwendung von Malfarben hat Albers dieses und kein weiteres Werk gefertigt, sondern arbeitete mit dem Sandstrahlgerät zur oberflächlichen Bearbeitung des Glases. Weitere bekannte „Wand-Glasbilder“ befinden sich im Musée National d’Art Moderne - Centre de Création Industrielle, Paris und im Kunstverein Münster. Er nannte seine Arbeiten deshalb „Wand-Glasbilder“, da diese - in Abgrenzung zu „Fensterbildern“, also Glasmalereien - nicht bei Durchlicht wirken, sondern für die Wandhängung bestimmt sind. Einer Einladungskarte an Oskar Schlemmer und seine Frau vom 19.10.1933 (Staatsgalerie Stuttgart/ Archiv Oskar Schlemmer) ist zu entnehmen, dass Albers, kurz vor dem Verlassen Berlins, vom 21. bis 23.10.1933 in seiner Privatwohnung als kleine Ausstellung „Glas-Wandbilder, Fensterbilder u. Holzschnitte“ zeigte. Von den 32 Glasarbeiten, die nach USA geschickten wurden, hatten nur zehn Werke unbeschädigt den Transport überstanden. Nach seiner Emigration arbeitete Josef Albers nicht mehr mit diesem zerbrechlichen Material.
Simone Bretz
Literatur
Sim, Daniel: Josef Albers Glasbilder, Studienarbeit, Fachbereich Kunst - Installationen, Aktionskunst, 'moderne' Kunst, Georg-August-Universität Göttingen 2006.
B
Babberger-Tobler, Anna (Flüelen, Schweiz 1882 – 1935 Münsterlingen, Schweiz)
Anna Maria Babberger-Tobler, Tochter eines Schweizer Bankdirektors in Luzern, war als Dichterin, Malerin und Textilgestalterin tätig. Ihre erste künstlerische Ausbildung erhielt sie an den Kunstgewerbeschulen in Luzern und Zürich und bildete sich in München (1903) und Paris (1905/06) weiter. In Florenz lernte sie den Künstler August Babberger (1885–1936) kennen, den sie 1912 heiratete und nach Frankfurt übersiedelte. 1920 erhielt August Babberger eine Professur für Wandmalerei an der Landeskunstschule in Karlsruhe, wo er bis 1933 arbeitete, als ihn die Nationalsozialisten als „entartet“ seines Amtes enthoben und das Künstlerehepaar in die Schweiz zog.
Babberger-Tobler malte, war schriftstellerisch tätig und unterstützte ihren Mann in seinem künstlerischen Schaffen, indem sie als Textilkünstlerin die Ausführung der von ihm entworfenen Wandbehänge übernahm. Die Belastungen aufgrund der Anfeindungen des Nationalsozialismus sowie des Niedergangs der Bank ihres Vaters und des damit verbundenen Verlustes ihrer wirtschaftlichen Grundlage waren derart groß, dass Babberger-Tobler bereits 1935 starb. Noch im selben Jahr ehrte sie das Kunstmuseum Luzern mit einer Gedächtnisausstellung.
Die Hinterglasmalerei nimmt im Werk von Anna Babberger-Tobler eine besondere Stellung ein, auch wenn dieses im Katalog der Ausstellung von 1935 nicht gewürdigt wurde. Im „Allgemeinen Lexikon der bildenden Künstler“ wird wie als Ehefrau von August Babberger ausschließlich als „Hinterglasmalerin“ genannt. Auch im „Künstlerlexikon der Schweiz“ wird diese Technik explizit erwähnt mit „Hinterglasmalerei: Allegorien, Blumen, Stillleben“. Zudem beurteilte Georg Staffelbach in seiner „Geschichte zur Luzerner Hinterglasmalerei“ von 1951 Babberger-Tobler als wegweisend für die Hinterglasmalerei in der Innerschweiz. Bei Staffelbach sind vier Hinterglasarbeiten mit Blumen- und Jahreszeiten-Darstellungen und einem Selbstporträt abgebildet, welche mit goldenen und silbernen Folien hinterlegt sind.
Erna Schillig (199–1993) aus dem Urner Kreis - eine lose Schweizer Künstlergruppe, von August Babberger 1925 gegründet - war eine Verwandte von Babberger-Tobler, ihre Schülerin und beschäftigte sich auch mit der Hinterglaskunst. Als weitere Hinterglasmaler der Innerschweiz sind Berta Bucher (1868–1917), Annemarie von Matt (geborene Gunz, 1905–1967), ihr Ehemann Hans von Matt (1899–1985, bekannt sind zwei Hinterglasbilder von 1925 und 1927) und Ernst Hodler (Hinterglasbild von 1948) zu nennen, aus der Westschweiz René Auberjonois (1872–1957, Hinterglasbild von 1920 und wohl weitere von 1928–29, 1935), Alexandre Cingria (1879–1945) und Henry Bischoff (1882–1951).
Simone Bretz
Literatur (Auswahl)
Staffelbach, Georg: Geschichte der Luzerner Hinterglasmalerei von den Anfängen bis zur Gegenwart, Luzern 1951; zu Anna Babberger-Tobler S. 13, 117-118, 132, 134, 139 A12, 171, 235, Tafel 172 Nr. 366–369; zu Erna Schillig S. 13, 117, 139 A12, 171 A1; zu Berta Bucher S. 117, 235, Tafel 171 Nr. 365; zu Annemarie von Matt S. 117, 139 A12, 171 A1; zu Ernst Hodler S. 13, 117, 171 A3, 242.
Gabelmann, Andreas: August Babberger. 1885–1936. Leben und Werk, Diss. Karlsruhe 1999, S. 47.
Beretta, Emilio (1907 Muralto/Locarno – 1974 Genf)
Bilger-Geigenberger, Anneliese (Wasserburg 1914 – 2006 Ulm)
Anneliese Bilger-Geigenberger - Malerin, Bildhauerin und Innenarchitektin - wurde 1914 als Tochter des in München tätigen Malers Otto Geigenberger (1881–1946) geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in München begann sie Ende der 1920er-Jahre farbenfrohe Hinterglasbilder zu malen, die bald als „Geigenberger-Hinterglasmalerei“ bekannt waren. Bevorzugte Sujets waren Stillleben, Blumenbilder und Stadtansichten in zum Teil großen Bildformaten. In den 1940er-Jahren absolvierte sie in Berlin eine weitere Ausbildung zur Innenarchitektin. In zweiter Ehe mit Hermann Bilger verheiratet, lebte sie in Ulm. Trotz ihrer sieben Kinder malte und reiste Bilger-Geigenberger und stellte u.a. in München, Augsburg, Mannheim und Ulm aus. Resümierend fasst sie ihr Leben zusammen: „Ich hab immer inmitten meiner Kinderschar malen können und war überzeugt: Ich hatte es schöner als jede andere Frau!”.
Simone Bretz
Literatur
Ulmer FrauenWege im 20. Jahrhundert. 12 Lebensbilder. Tatkraft aus Nächstenliebe, Ökumenischer Arbeitskreis Frauen, Ulm 2005, S. 27–29.
Buchheim, Lothar-Günther (Weimar 1918 – 2007 Starnberg)
Lothar-Günther Buchheim war als Maler, Fotograf, Verleger, Kunstbuch- und Romanautor, Filmemacher und Sammler vielseitig tätig. Einer künstlerischen Familie entstammend, auch seine Mutter Charlotte Buchheim (1891–1964) war Malerin, bewies er schon früh Talent und Interesse an der Kunst. Das 1937 mit Hilfe eines Staatsstipendiums an der Dresdener Kunstakademie aufgenommene Studium setzte Buchheim zwei Jahre später an der Kunstakademie in München fort. 1940 meldete er sich zur Marine und wurde als Kriegsberichterstatter eingesetzt. Neben Zeichnungen, Pastellen und Aquarellen fertigte Buchheim auch zahlreiche Fotografien über das Kriegsgeschehen und schrieb Artikel. Nach dem Krieg von den Amerikanern zunächst als Polizeichef in Feldafing eingesetzt, wurde er wenige Monate später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Während der Haft kam Buchheim mit der Hinterglasmalerei in Berührung, wie Briefe vom Dezember 1945 belegen. 1946 wieder zurück in Feldafing, gründete Buchheim die „Kunsthandwerklichen Werkstätten“, eine kleine Manufaktur, in der er Hinterglasbilder und Spielzeugfiguren als Laubsägearbeiten produzierte. Rückblickend fasste Buchheim zusammen: „Das
Wichtigste ist Phantasie und Experimentierlust. Das Material zählt gar nicht. Deshalb schwärme ich so für Hinterglasmalerei und erhebe sie über all die Maltechniken, die einen großen Aufwand verlangen. Quasi aus Nichts etwas machen und immer wieder Neues erfinden – das ist doch der Witz.“ (Lothar-Günther Buchheim, 1980, S. 18). Vom Zirkusleben fasziniert schuf Buchheim zwischen 1946 bis 1949 eine ganze Reihe von Hinterglasbildern mit typischen Motiven wie Clowns, Akrobaten und Kunstreitern (»Exzellente und einmalige Dressuren«, 1945/46, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried) oder dem „Zirkuswunderschwein Bimbina“. Weitere Bildthemen sind zum Beispiel Hähne (»Hahn«, um 1945, Buchheim Museum, Bernried), Unterseelandschaften in Mehrschichtentechnik wie »Fische« (Buchheim Museum, Bernried) sowie Sternsinger und andere Weihnachtsmotive. Buchheims Anliegen war es, zum einen in Notzeiten der Nachkriegszeit durch Improvisation und Erfindungsreichtum zu bestehen und zum anderen mit dem Verkauf bunt-fröhlicher Handwerksware seine von Mangel geprägte Umwelt farbenfroh zu gestalten. Die Materialien Glas und Holz waren in den Trümmerhalden leicht zu beschaffen, die Farben entstammten seiner Zeit als Kunststudent. Das 1980 verfasste „Hinterglas-Büchlein“ zeugt 35 Jahre nach seinen Anfängen von Buchheims großer Leidenschaft für die Hinterglasmalerei, mit genauen Beschreibungen seiner Technik mittels Malfarben, Bronzen, Metallfolien, Gold- und Silberpapier sowie Stoffapplikationen.
1946 wurden Zeichnungen, Linolschnitte und die Erzeugnisse seiner kunsthandwerklichen Werkstatt in der Ausstellung „Der Maler Lothar-Günther Buchheim“ in der Schwabinger Galerie „Die Kleine“ (20.11.–31.12.1946) gezeigt. Zeitgleich stellte der Hinterglasmaler Robert Hetz in seinem Atelier in München in der Ausstellung „Neue Hinterglasmalerei. Weihnachts-Ausstellung“ (18.11.–22.12.1946) aus. Gemeinsam mit Künstlerkollegen betrieb Hetz bis 1949 eine Werkstätte mit groß angelegter Produktion von Glasbildern. Die für den lokalen Markt wie für den Export vorgesehenen Waren aus bayerischer Produktion gingen nach Amerika, sogar bis nach Südamerika. Buchheim versah seine weihnachtlichen Hinterglasbilder mit englischer Beschriftung und adressierte sie damit an Kunden unter den amerikanischen Besatzern ein. Sein Studienkollege zu Münchner Zeit unter Hermann Kaspar, Ernst Graupner, begann ebenfalls 1948 mit dem Malen von Hinterglasbildern als Broterwerb und setzte dieses Schaffen in künstlerischer Form bis Ende der 1970er-Jahre fort.
Im Buchheim Museum der Phantasie in Bernried am Starnberger See haben sich über 100 Hinterglasbilder aus Buchheims Produktion der „Kunsthandwerklichen Werkstätten“ erhalten. Als Sammler trug er etwa 90 volkskundliche Gnaden- und Andachtsbilder des 19. Jahrhunderts aus Bayern, Böhmen, Schlesien und Rumänien in dieser Technik zusammen. Daneben zählen auch einige außereuropäische und naive Hinterglasmalereien zur Sammlung.
Simone Bretz
Literatur (Auswahl)
Buchheim, Lothar-Günther: Hinterglas-Büchlein, Brunnen-Reihe 159, Christophorus-Verlag, Freiburg 1980.
Buchheims bunte Zirkuswelt. Hinterglasbilder, Hampelmänner, Manegenzauber…, hrsg. vom Schloßmuseum des Marktes Murnau, Ausst.-Kat. Schloßmuseum Murnau, Murnau 1997.
Das Blaue Land hinter Glas, hrsg. von MuSeenLandschaft Expressionismus, Ausst.-Kat. Ausstellungsreihe „Das Blaue Land hinter Glas“, o.A. 2017.
Buchholz, Erich (Bromberg 1891 – 1972 Berlin)
Erich Buchholz war Maler, Bildhauer, Möbeldesigner, Bühnenbilder, Typograf, Objekt- und Raumgestalter und schuf seit 1918 ungegenständliche Werke; er gehörte zum Kreis der Konstruktivisten. In seinen Arbeiten spielten Kreismotive und eine auf Grundfarben reduzierte Farbpalette eine große Rolle.
1921 stellte Buchholz in der Berliner Galerie „Der Sturm“ sein Hinterglasbild »Steigen im Kreis« aus (Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt). Zudem trieb ihn ein besonderes Interesse an Raum und der Materialvielfalt an. So sind neben den etwa 800 Papierarbeiten, 230 Gemälden, etwa 100 Gips- und Holzreliefs, 23 Hinterglasbildern, Architekturentwürfen, Bronzeskulpturen und Glasobjekten auch sein Wohn-Atelier am Berliner Herkulesufer bemerkenswert. Mit dem 1922 kubisch gestalteten Atelier schuf er nicht nur die erste Raumgestaltung der Moderne, sondern auch einen Treffpunkt der Berliner Avantgarde. Nachdem Buchholz zwischen 1933 und 1945 mit Mal- und Ausstellungsverbot belegt wurde, konnte er nicht mehr an seinen früheren Erfolg anknüpfen. Mehrere seiner frühen Hinterglasbilder kopierte Erich Buchholz in den 1970er-Jahren im Siebdruckverfahren auf Plexiglas.
Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.
Erich Buchholz, 1891-1972. Catalogue raisonné, hrsg. von Michael Ilk in Zusammenarbeit mit Eila Schrader-Buchholz und Albert Schrader, Ausst.-Kat. Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt 2013.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Buthaud, René (1886–1986)
C
Campendonk, Heinrich (Krefeld 1889 – 1957 Amsterdam)
Heinrich Campendonk, als Künstler in den Bereichen Gemälde, Zeichnung, Druckgrafik, Wand- und Glasmalerei sowie als Professor in Essen (1923/24), Düsseldorf (1926–1934) und Amsterdam (1935–1955) tätig, schuf als Hinterglasmaler ein umfangreiches Werk. Er experimentierte mit Elementen verschiedener Kunststile wie dem Kubismus, Futurismus und Orphismus. Campendonk wird dem deutschen Expressionismus zugerechnet.
Heinrich Campendonk studierte von 1905 bis 1908 an der fortschrittlichen „Handwerker- und Kunstgewerbeschule zu Crefeld“ unter Johan Thorn Prikker (1868–1932) , der zu seinem Mentor wurde. Durch die Vermittlung von August Macke reiste er 1911 nach Oberbayern, um sich der Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“ als jüngstes Mitglied anzuschließen. Der Austausch mit Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc und auch Paul Klee, die zu dieser Zeit die Hinterglasmalerei praktizierten, regten den jungen Künstler zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den neuen gestalterischen Ausdrucksmöglichkeiten der Malerei wie auch der Hinterglasmalerei an. In seiner künstlerischen Entwicklung legte Campendonk in diesen Jahren den Grundstein für sein Werk.
In seinen Hinterglasarbeiten ging es Campendonk zu Anfang mit der leuchtenden Farbigkeit als Stilmittel des „Blauen Reiters“ um ausgewogene Kompositionen. Das früheste überlieferte Hinterglasbild stammt aus dem Jahr 1911/12 und wurde in der „Ersten Ausstellung: Blauer Reiter“ in der Modernen Galerie Thannhauser in München gezeigt. 1912, 1913 und 1916 folgten Ausstellungen der Berliner Galerie "Der Sturm" von Herwarth Walden, wo sich Campendonk auch mit Hinterglasmalereien präsentierte. So schreibt Campendonk an Walden: „Nächstens will ich wieder Glasbilder machen und Ihnen schicken. Ist es vielleicht ein Plan, welcher Ihnen gefällt, einmal alle Sturm-Künstler aufzufordern, für eine Glasbilderausstellung Glasbilder zu machen?“ (Brief 182 vom 11. November 1917). Das »Selbstbildnis in Oberbayern«, 1917, Clemens Sels Museum Neuss, versehen mit dem Monogramm „C.“ und der Datierung „17“, zählt zu den wenigen signierten Hinterglasarbeiten Campendonks; gesamt sind lediglich sieben monogrammierte/ datierte Bilder bekannt.
Nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine Werkgruppe mit dunklen Hintergründen, die ein geradezu mystisches Aufleuchten kräftiger Farben hervorbrachte. Als Beispiel ist ein Hinterglasbild aus Privatbesitz, »Frau am Spiegel«, geschaffen um 1922, anzuführen. In den 1920er-Jahren entdeckte Campendonk zunehmend die Möglichkeiten, die ihm ein mehrschichtiger Farbauftrag eröffnete. Durch die Hinterglasradierung und das erneute Übermalen dieser Bereiche mit weiteren Farben erlangte er einerseits eine Strukturierung der Flächen, andererseits mehr optische Tiefe wie bei »Zwei schwarze Asse« von 1926 (monogrammiert/ datiert mit „C. 26“) und beim »Stillleben mit Fischglas, Spielkarten und Vase« von 1927, beide aus Privatsammlungen.
1922 war Campendonk mit vier Hinterglasbildern in Zinglers Kunstkabinett in Frankfurt vertreten. Es folgte von 1923 bis 1929 eine rege Ausstellungstätigkeit an Werken dieser Technik in Jena, Krefeld, Düsseldorf, Berlin, Leipzig, Hannover und Wiesbaden. Ab 1926 hatte er eine Professur im Bereich Glasmalerei und Wandmalerei an der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf inne. Besonders durch die Ausführung zahlreicher Glasfenster für Kirchen und öffentliche Gebäude errang Campendonk große Anerkennung. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor er 1934 seine Anstellung an der Akademie. Das Jahr 1935 bedeutete einen Wendepunkt: Campendonk verließ Deutschland, um an der Reichsakademie für bildende Künste in Amsterdam weiterzuwirken. Im gleichen Jahr heiratete er die Künstlerin Edith van Leckwyck. 1937 wurden im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ 87 Werke Campendonks beschlagnahmt, darunter zahlreiche Hinterglasbilder. Nur vereinzelt befasste sich Campendonk Ende der 1930er- und den 1940er-Jahren mit der Hinterglasmalerei. Er beteiligte sich lediglich 1937 an der Ausgestaltung des Passagierschiffes „SS Nieuw Amsterdam“ mit einer großen Hinterglas-Wandpaneele »Fischerhafen«, welches vermutlich zerstört wurde. Ein weiteres Werk dieser Zeit ist das Hinterglasbild »Liegende Kuh mit Sonnenblume« von 1940 (monogrammiert/ datiert mit „C. 40“) aus Privatbesitz.
Erst nach Kriegsende wandte sich Campendonk wieder intensiv der Malerei zu und es entstanden zahlreiche Hinterglasbilder wie »Bäume«, um 1946 und »Christuskopf mit Dornenkrone«, um/nach 1946, beide im Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg. Die klare grafische Konturierung der Formen und deren feine Ausarbeitung bilden die wesentlichen Kennzeichen seines Spätwerks. »Garben und Kühe«, um 1946, ist stellenweise radiert und mit zahlreichen kleinen Farbpünktchen in pointilistischer Technik ausgearbeitet. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1957 wurde Campendonk mit dem Quellinus-Preis der Stadt Amsterdam geehrt und zum Ritter des Ordens "De Nederlandse Leeuw" ernannt.
76 Hinterglaswerke aus unterschiedlichen Schaffensperioden der 1910er- bis 1950er-Jahre wurden 2017 in einem eigenen Werkverzeichnis erfasst; von weit mehr Arbeiten ist jedoch auszugehen. In seinen Glasbildern erschuf Campendonk eine ideale, bisweilen phantastische Welt, in der Mensch, Tier und Natur zu einem harmonischen Einklang verschmelzen. Die technische Meisterhaftigkeit und der Variantenreichtum seiner Hinterglasbilder ist exzeptionell für ein Hinterglasoeuvre der Klassischen Moderne. Neun Hinterglasbilder wurden fünf Jahre nach seinem Tod auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum Mainz über die „Hinterglas-Malerei im XX. Jahrhundert“ präsentiert. Ein Teil davon befindet sich in öffentlichem Besitz wie auch in Privatsammlungen.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-Museum Mainz, Mainz 1962.
Firmenich, Andrea: Heinrich Campendonk 1889–1957. Leben und expressionistisches Werk. Mit einem Werkkatalog des malerischen Œuvres, Diss. Bonn 1989, Recklinghausen 1989.
Geiger, Gisela; Bretz, Simone für das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk: Heinrich Campendonk. Die Hinterglasbilder, Werkverzeichnis, Köln 2017.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Cladders, Johannes (1881–1975)
Condé, Géo (1891–1980)
Cournault, Étienne (Malzéville/Frankreich 1891 – 1948 ebd.)
D
Davringhausen, Heinrich Maria (1894–1970)
Dexel, Walter (München 1890 – 1973 Braunschweig)
Walter Dexel gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten des Konstruktivismus der 1920er-Jahre. Als Maler war Dexel Autodidakt, in den Jahren 1910–1914 studierte er in München Kunstgeschichte bei Heinrich Wölfflin und promovierte 1916 bei Botho Gräf. Parallel hierzu nahm er privaten Zeichenunterricht. Dexel berufliches Leben ist außerdem durch seine Tätigkeit als Designer, Werbegrafiker, Innenarchitekt, Bühnenbildner, Verkehrsplaner, Kunsthistoriker und Museumsleiter gekennzeichnet.
Die ersten künstlerischen Werke entstanden 1912/13 auf einer Studienreise nach Italien. Bereits 1914 hatte der Künstler eine erste Einzelausstellung mit Gemälden in kubistischer Manier in München. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Dexel 1918 Ausstellungsleiter in Jena, wo er Ausstellungen mit Heinrich Campendonk, später mit Bauhaus-Künstlern wie Laszlo Moholy-Nagy organisierte. Anfang der zwanziger Jahre vollzog sich in seinem Werk der Übergang zum Konstruktivismus. Glas als Medium durchzog zeitlebens Dexels Schaffen, welches sich in zahlreichen Hinterglasbildern mit nachweislich 60 Arbeiten ausdrückt: früheste bereits um 1913, letzte um 1929. In den 1920er-Jahren stellte Dexel mehrfach in Herwarth Waldens Berliner Galerie „Der Sturm“ aus. Sechs Hinterglasbilder, gemalt zwischen 1918 und 1925, wurden auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt. Von 1928 bis 1935 war Dexel Dozent für Gebrauchsgrafik an der Magdeburger Kunstgewerbeschule - ein Amt, aus dem er 1935 von den Nationalsozialisten entlassen wurde. Im selben Jahr gab er die Malerei auf.
Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-Museum Mainz, Mainz 1962.
Wöbkemeier, Ruth: Walter Dexel (1890–1973), Werkverzeichnis Gemälde, Hinterglasbilder, Gouachen, Aquarelle, Collagen, Ölstudien, Entwürfe zu Bühnenbildern, Heidelberg 1995.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Dirx, Willi (Recklinghausen 1917 – 2002 Wuppertal)
Von 1937 bis 1939 studierte Willi Dirx an der Kunstakademie Düsseldorf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu seinem Tod hielt er sich in Wuppertal auf und wirkte dort vorwiegend als Holzschneider. Doch auch Linolschnitte, Hinterglasmalereien, Plastiken und Reliefs sowie Gestaltungen von Kirchenfenstern und Kreuzwegen sind Bestandteile seines umfangreichen Werks.
Willi Dirx gilt als einer der letzten großen Holzschneider und befasste sich in seiner Kunst sehr häufig mit christlichen Themen. Die Wirkkraft des reflektierenden Glases unterstreicht die Aussage der religiösen Motive von Dirx’ Hinterglasbildern (z.B. »Pieta«, vor 1953).
Diana Oesterle
Literatur
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Drian, Etienne Adrien (1885–1961)
Duchamp, Marcel (1887–1968)
Dupas, Jean (1882–1964)
E
F
Faravel, Gaston (1901–1947)
Fischer, Cuno (1914–1973)
G
Gege, Jakob (1906–1972)
Generalić, Ivan (1914–1992)
Graupner, Ernst (1917–1989)
Grieshaber, HAP (1908–1981)
H
Hanisch, Reinhold (1884–1937)
Hetz, Robert (1920–1987)
Hildebrandt, Lily (Fürth 1887 – 1974 Stuttgart)
Lily Hildebrandt war Malerin, Grafikerin, Kunsthandwerkerin, Glasmalerin und Fotografin. Nachdem sie Ida Kerkovius kennengelernt hatte, wurde sie Schülerin von Adolf Hölzel (1853–1934) in Dachau. 1908 heiratete sie den Kunsthistoriker Hans Hildebrandt (1878–1957), zog 1913 nach Stuttgart und wurde an der dortigen Akademie Meisterschülerin bei Hölzel. Hildebrandt pflegte Freundschaften mit den Malerkollegen Willi Baumeister, Hanna Höch, Ida Kerkovius und Oskar Schlemmer sowie dem Architekten Walter Gropius. Ihr Stuttgarter Haus wurde nach 1919 zum internationalen Treffpunkt der Avantgarde. 1933 erhielt Hildebrandt Berufsverbot. Auch nach 1945 wurde das Haus Hildebrandt wieder zum wichtigen internationalen Treffpunkt für kulturell Interessierte.
Ab 1917 entstanden die ersten Hinterglasbilder Hildebrandts, die letzten um 1943/44. Annähernd 45 Werke befinden sich in Privatbesitz, von denen etwa die Hälfte mit „LH“ monogrammiert ist. Aufgrund der nicht vorhandenen Datierung auf den Werken ist eine zeitliche Zuordnung problematisch. Rückblickend äußerte sich Hildebrandt 1930 über ihr Hinterglas-Schaffen: „[Es gehen die] ersten Versuche in Hinterglasmalereien auf starke Eindrücke zurück, die mir bayerische Bauernarbeiten machten. Der emailleartige Glanz der Farben, das Immaterielle und Geheimnisvolle, bis zum Mystischen reichende hat es mir angetan. So versuchte ich denn zu verdeutlichen, was vor meinem inneren Auge Gestalt gewann, ohne zu ahnen, daß gleichzeitig andere auch die Hinterglasmalerei zu neuem Leben weckten. Von jeher hatte ich eine mir selbst nicht weitere erklärliche, gefühlsmäßige Beziehung und Liebe zu dem edlen Stoff des Glases, das meine Einbildungskraft beschwingte. Vor allem zieht mich die Farbe an, die gerade bei der Hinterglasmalerei sinnhaften Reiz und seelische Ausdruckswerte eint. Ich suche ihr auch darum ihre Geheimnisse abzulauschen, verwende auch farbige Gläser, deren Material-Schönheit ich manches von meinem Besten, so den „Flötenden Hirten“, danke, und versuche mein Gestaltungsvermögen durch die verschiedene Techniken, Spritzverfahren, streckenweises Auflegen von Stanniolpapier usw., zu steigern. […] Alle meine Hinterglasbilder gehen auf innere Erlebnisse zurück, die meist von starken, die Phantasie beglückenden und bedrückenden Eindrücken der Umwelt ausgelöst und in eine Traumwelt umgesetzt werden und in der es vielleicht manchmal etwas kunterbunt zugeht. Ich selbst bin nie bewußt Herrin darüber, ob ein Bild der hellen oder der dunklen Seite des Lebens angehört: Auch ich trage, wie wohl die meisten Menschen, zwei Naturen in mir, und meine Arbeiten sind Selbstbefreiungen von der Macht unbewußten Gefühls, die bald diese, bald jene über mich übt.“ (Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, Ausst.-Kat. Gutenberg-Museum Mainz 1962). Vier Hinterglasbilder Hildebrandts der 1930er-Jahre wurden auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.
Simone Bretz
Literatur (Auswahl)
Keller, Dieter: Hinterglasbilder, Lorch 1948.
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.
Der Cicerone, Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers, Heft 3, Rundschau, S. 94–100.
Lily Hildebrandt, 1887–1974, Gemälde - Hinterglasbilder - Zeichnungen - Photographien, hrsg. vom Verein Das Verborgene Museum, Berlin, bearb. von Britta Kaiser-Schuster, Ausst.-Kat. Das Verborgene Museum, Berlin 1997.
Arnold, Florian: „Die missverstandene Kunst. Hinterglasmalerei im 20. Jahrhundert“, in: Augsburger Volkskundliche Nachrichten, Universität Augsburg, Fach Volkskunde, 9. Jahrgang, Heft 2, Nr. 18, Dezember 2003, S. 55–73.
Horn, Josef (Gevelsberg 1902 – 1951 Barmen)
Josef Horn entschied sich 1921 für ein Studium an der Kunstgewerbeschule in Bremen im Fachbereich Innenarchitektur. Zeitgleich freundete er sich mit dem Maler Otto Coester an. Reisen führten ihn in den Folgejahren nach Italien, Norwegen und Frankreich mit längeren Stationen im Tessin, in München, Barmen und Wuppertal. Horn arbeitete auch als Dekorationsmaler; 1937 galten seine Werke als entartet und wurden beschlagnahmt.
Neben Marine- und Landschaftsbildern widmete sich Josef Horn Stillleben, wie seine Hinterglasbilder »Blumenstillleben« und »Farbtuben«, beide um 1951, bezeugen.
Diana Oesterle
Literatur
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Hoste, Huib (1881–1957)
I
Ingrand, Max (1908–1969)
J
Jespers, Floris (Antwerpen, Belgien 1889 – 1965 Antwerpen)
Nach seinem Abschluss an der Akademie der Künste in Antwerpen lernte Floris Jespers 1914 den Dichter Paul van Ostayen kennen, der ihm die Hinterglaswerke Heinrich Campendonks näherbrachte. Von diesen beeinflusst, wandte sich Jespers dem Expressionismus zu und begann um 1924 mit seinem umfangreichen Schaffen in der Hinterglaskunst. Harlekine, Tierchimären, exotische Blumen und Pflanzen gehören zu den typischen Motiven seiner Hinterglasmalereien, von denen mehr als 140 Werke (bis um 1930), bekannt sind. »Arlekin vindicatif«, um 1925, mit einem Glasmaß von 90 x 73 cm gehört zu den technisch raffinierten Hinterglasbildern, u.a. mit Metalleffektpigmenten in Silber und Gold gestaltet. Edith van Leckwyck war 1923 seine Schülerin und lernte von ihm die Hinterglasmalerei kennen.
Diana Oesterle
Literatur
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
K
Kadow, Gerhard (1909–1981)
Kandinsky, Nina (Kaiserreich Russland 1899 – 1980 Gstaad)
Über Nina Kandinsky (NinaKandinskaya), der zweiten Ehefrau von Wassily Kandinsky (Heirat 1917), als Hinterglasmalerin ist nur wenig bekannt. Im Staatlichen Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin in Moskau haben sich jedoch zwei kleinformatige Glasbilder erhalten. Von Wassily Kandinsky angefertigte Zeichnungen setzte Nina in Hinterglastechnik um, wie »Ein Spaziergang« von 1917 (siehe Abb.) und »Schlafende Frau« von 1918. Ein weiteres Hinterglasbild mit einer dargestellten Kutschfahrt wird im Nationalen Kunstmuseum von Aserbaidschan in Baku aufbewahrt.
Als Alleinerbin von Wassily Kandinskys Vermächtnis kümmerte sich Nina um seinen Nachlass und organisierte einen großen Teil der späteren Ausstellungen. Sie sorgte testamentarisch dafür, dass der Hauptnachlass in der Société Kandinsky im Musée National d’Art Moderne in Paris verwaltet wird, nachdem sie dem Museum zuvor dreißig Kunstwerke gestiftet hatte.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Kandinsky, Nina: Kandinsky und ich, unter Mitarbeit von Werner Krüger, München 1976.
Barnett, Vivian Endicott; Friedel, Helmut: Das bunte Leben. Wassily Kandinsky im Lenbachhaus, Köln 1995.
Wassily Kandinskys „Bagatelles“. Painting on Glass, Watercolours and Drawings. 1915–1920, Ausst.-Kat. Staatliches Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau 2017, S. 33, 36–39.
Kandinsky, Wassily (Moskau, Russland 1866 – 1944 Neuilly-sur-Seine, Frankreich)
Wassily Kandinsky, Jurist, Maler, Kunsttheoretiker, Mitbegründer der Künstlergruppe „Blauer Reiter“ und Lehrer, u.a. am Bauhaus, schuf als Hinterglasmaler ein umfangreiches Oeuvre von über 75 Hinterglasbildern. Gabriele Münter inspirierte Kandinsky 1909 zur Bemalung von Glas, nachdem sie die Technik von Heinrich Rambold in Murnau am Staffelsee vermittelt bekommen hat. Im „Russenhaus“ in Murnau verbrachten Kandinsky und Münter ihre Malsommer bis zum Jahr 1914. Im Kreis der Künstlerkollegen des „Blauen Reiters“ befassten sich mit der Hinterglasmalerei neben Münter August Macke in seinen bayerischen Sommern, wie auch Franz Marc und Heinrich Campendonk, die im nahe gelegenen Sindelsdorf wohnten. Die Besuche beim Murnauer Braumeister Johann Krötz (1858–1919) mit dessen umfangreicher Privatsammlung von etwa 1000 Hinterglasbildern brachten für die Maler wichtiges Anschauungsmaterial an bayerischer Hinterglasmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts. Innerhalb kürzester Zeit hatten Kandinsky und Münter selber eine eigene, große Sammlung an europäischen wie außereuropäischen Hinterglasbildern für ihre Münchner und Murnauer Wohnungen aufgebaut.
Die Flächigkeit des Bildaufbaus und Vereinfachung der Formen, die Dominanz der schwarzen Konturlinie mit starkfarbiger Ausgestaltung waren bestimmende Elemente historischer Glasbilder und regten Kandinsky für eigene Arbeiten an. Vier Hinterglasarbeiten zeigte Kandinsky neben den parallel entstandenen, ersten abstrakten Leinwandgemälden 1911/12 in der „Ersten Ausstellung: Blauer Reiter“ in der Modernen Galerie Thannhauser in München. Die „primitive“ Ursprünglichkeit der volkstümlichen Hinterglasbilder wurde auch zu einer wichtigen Inspirationsquelle für den 1912 erschienenen Almanach „Der Blaue Reiter“, in dem zwölf bayerische Hinterglasbilder abgebildet wurden.
Kandinskys Glasbilder stehen motivisch mit Heiligenfiguren, besonders des Hl. Georg und Hl. Martin, dem Thema Allerheiligen und apokalyptischen Szenen in engem Bezug zu seinem Frühwerk, von denen einige mit einem in ein Dreieck eingestelltes „K“ monogrammiert sind. In Murnau wurde die Grundlage von Kandinskys gegenstandsloser Kunst gelegt. Es existieren Entwürfe und Vorzeichnungen, die in seitenverkehrter Form in Hinterglastechnik umgesetzt wurden. So lassen sich einige Bildthemen und Motive zuerst in Glasbildern finden, bevor diese von Kandinsky auf Leinwand, Pappe, als Aquarell, Radierung oder Holzschnitt umgesetzt wurden. Mit Kreationen verschiedenartiger Techniken und Effekten lebte sich Kandinsky als Hinterglasmaler aus: in Form schwarzer Konturenmalerei als Federzeichnung, in der Verwendung von Öl- und wasserlöslichen Farben, mit Gold- und Silberbronzen, geprägten Metallfolien aus Aluminium und Zinn, mit dem Pinsel ausgeführt oder als Fingermalerei. Als Bildträger bediente sich Kandinsky industriell gefertigter Glastafeln, diese entweder plan, strukturiert oder stark wellig. Aus der Zeit zwischen 1911 und 1913 sind zehn unebene Glastafeln, ob als Kathedral- oder Ornamentglas, nachweisbar. Kandinskys Rahmen waren meist schlicht mit glatten oder profilierten Leisten, die er selber, abgeleitet von historischen Vorbildern, mit ornamentaler Bemalung versah.
Nach den juristischen Auseinandersetzungen zwischen Münter und Kandinsky, die von 1922 bis 1927 dauerten, verblieben neben weiteren Kunstwerken die Mehrzahl seiner Hinterglasbilder der Murnauer Jahre bei Münter, die diese 1957 der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München vermachte. Hierunter befinden sich "Oops, an error occurred! Code: 20250112171110d47acfd6", August 1911, Inv. Nr. GMS 112, "Oops, an error occurred! Code: 20250112171110337afe02", 1911, Inv. Nr. GMS 122, "Oops, an error occurred! Code: 20250112171110643ec65c", um 1912, Inv. Nr. GMS 108 und "Oops, an error occurred! Code: 20250112171110394d7748", July 1914, Inv. Nr. GMS 106. Für die Ausstellung “Vasily Kandinsky. Painting on glass (Hinterglasmalerei)“ im Solomon R. Guggenheim Museum zum 100. Geburtstag Kandinskys im Jahr 1966 wurden 32 Hinterglasarbeiten aus der Murnauer Zeit in New York präsentiert.
Als Kandinsky mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 Deutschland überstürzt verließ, nahm er 1916 die Hinterglasmalerei in Moskau wieder auf. Auf einer Postkarte vom 12. Juni 1917 teilte er Münter mit, „daß er hauptsächlich auf Glas und Aquarell arbeitet, in der Art der Stockholmer Bagatellen [Ausstellung Gummeson Galerie, Stockholm, 1.2. - 28.2.1916]“ (Gisela Kleine: Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Biographie eines Paares, Frankfurt a.M. 2013, S. 488). Diese kleinformatigen, leicht verkäuflichen ‚Bagatellen‘ hinter Glas sind keine abstrakten Arbeiten, sondern stellen in narrativen Bildszenen biedermeierlich gekleidete Damen und Herren in phantasievollen Landschaften dar. Bereits um 1909 finden sich diese Sujets in Kandinskys Oeuvre, abgeleitet von seiner Begeisterung für Stil und Motivwelt der russischen Kunstbewegung „Mir Iskusstva“.
Hinterglaswerke dieser Art, von denen sich zahlreiche im Staatlichen Russischen Museum in St. Petersburg, im Nationalen Kunstmuseum von Aserbaidschan in Baku und in Moskau, in der Staatlichen Tretjakow-Galerie und im Staatlichen Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin befinden, führte Kandinsky bis 1918 weiter. Als er 1921 zur Aufnahme seiner Tätigkeit am Bauhaus Moskau verließ, gab er neben einigen Gemälden 27 Hinterglasgemälde dem Puschkin Museum zur Verwahrung, die 1929 in Staatsbesitz übergingen und auf die Museen verteilt wurden.
1933, nach Schließung des Bauhauses durch die Nationalsozialisten, emigrierten Wassily und Nina Kandinsky nach Paris. Aus seiner Zeit in Frankreich haben sich lediglich zwei Hinterglasmalereien aus dem Jahr 1936 erhalten, wovon sich eines im Musée National d’Art Moderne Paris befindet. Auch hier unterschied Kandinsky nicht zwischen den Bildträgern, sondern stellte gleich den Leinwandgemälden mit den für das Spätwerk charakteristischen amorphen Strukturen auf Glas dar.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Kandinsky (Gabriele Münter Stiftung) und Gabriele Münter. Werke aus fünf Jahrzehnten, Ausst.-Kat. Städtische Galerie Galerie im Lenbachhaus, München 1957.
Grohmann, Will: Wassily Kandinsky. Leben und Werk, Köln 1958.
Roethel, Hans Konrad; Benjamin, Jean K.: Kandinsky. Werkverzeichnis der Ölgemälde, Band I, 1900–1915, München 1982.
Barnett, Vivian Endicott; Friedel, Helmut: Das bunte Leben. Wassily Kandinsky im Lenbachhaus, Köln 1995.
Wassily Kandinskys „Bagatelles“. Painting on Glass, Watercolours and Drawings. 1915–1920, Ausst.-Kat. Staatliches Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau 2017.
Steger, Simon; Oesterle, Diana; Bretz, Simone; Frenzel, Lisa; Stege, Heike; Winkelmeyer, Iris; Hahn, Oliver; Geiger, Gisela: Kandinsky’s fragile art – a multidisciplinary investigation of four early reverse glass paintings (1911 - 1914) by Wassily Kandinsky (in Vorbereitung 2019).
Keller-Schenk, Martha
Kerkovius, Ida (Riga, Lettland 1879 – 1970 Stuttgart)
Die in Lettland geborene Ida Kerkovius studierte zunächst als Schülerin von Adolf Hölzel (1853–1934) in der Künstlerkolonie Dachau. Diese Zeit war prägend, da sie hier das von Hölzel gelehrte flächige Sehen erlernte, mit dem die dreidimensionale Natur auf einen zweidimensionalen Bildträger übertragen wird - ein Stilmittel, das grundlegend für die Hinterglasmalerei ist. Ab 1908 wurde Kerkovius Meisterschülerin von Hölzel an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. 1916 stellte sie in der Ausstellung „Hölzel und sein Kreis“ gemeinsam mit Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Johannes Itten aus.
Von 1920 bis 1923 studierte Kerkovius am Bauhaus bei Itten, Georg Muche, Wassily Kandinsky und Paul Klee; das Weben erlernte sie in der Klasse von Gunta Stölzl. Anschließend kehrte Kerkovius in ihr Stuttgarter Atelier zurück und entwickelte eine neue künstlerische Selbständigkeit. Mit kräftigen Farben verfolgte sie die Auflösung der gegenständlichen Malerei. In den 1950er-Jahren entwarf und gestaltete Ida Kerkovius Glasfenster, u.a. für das Stuttgarter Rathaus. Nur etwa ein Dutzend Hinterglasarbeiten sind überliefert: das »Selbstbildnis (für Fritz Heeg-Erasmus)« als das früheste um 1937, weitere bis in die 1950er/60er-Jahre. Ein Hinterglasbild von Kerkovius von 1937 wurde auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.
Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Kesting, Edmund (1892–1970)
Klee, Paul (Münchenbuchsee, Schweiz 1879 – 1940 Muralto, Schweiz)
Paul Klee, Maler und Grafiker, verließ 1898 für seine künstlerische Ausbildung die Schweiz und zog - entgegen des Wunsches seiner Eltern, die musische Laufbahn einzuschlagen - nach München, um Kunst zu studieren. Nach einem Studienaufenthalt in Italien kehrte Klee in die Schweiz zurück und war von 1902 bis 1906 als Geiger bei der Bernischen Musikgesellschaft beschäftigt. 1905 hatte er begonnen, sich mit der Hinterglasmalerei zu befassen und widmete sich bis etwa 1919 dieser Kunstgattung. Die Quellenschriften Klees in Form von Tagebüchern und Briefen enthalten eine Fülle an Informationen über seine Hinterglastechniken. In seinem Œuvre-Katalog sind 59 Hinterglasbilder dokumentiert, von sehr viel mehr Arbeiten hinter Glas ist auszugehen.
In Klees ersten Hinterglas-Jahren, noch finanziell von seinen Eltern unterstützt, hat sich ein reger Briefwechsel mit seiner Verlobten, der Pianistin Lily Stumpf erhalten, aus dem sich seine Ideen, Experimente und die Umsetzungen in Hinterglas nachvollziehen lassen. Mit dem Umzug nach München 1906 und seiner Heirat nahm Klees grafisches Werk als Radierung und Hinterglasbild, mit einer Neigung zum Ironischen und Skurrilen, einen großen Raum ein. In nachfolgenden Jahren waren es Hinterglas-Porträts, gefolgt von schwarz-weißen Landschaftsbildern sowie Darstellungen nach der Natur (1907 bis 1909) sowie Illustrationszeichnungen zu Voltaires Candide (1911). Die Bildtitel hatten immer eine zentrale Bedeutung, die er sorgfältig wählte oder auch abänderte. Zwei Porträtarbeiten hinter Glas dienten Klee 1906 zum kleinen Broterwerb. Ansonsten trug Lily Stumpf mit Pianounterricht zum Lebensunterhalt der kleinen Familie mit Sohn Felix bei.
Zurück als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg erreichte Klee 1918 seinen künstlerischen und kommerziellen Durchbruch mit Einzelausstellungen in Deutschland. Ab 1920 lehrte er, wie auch Wassily Kandinsky am Bauhaus in Weimar und 1926 in Dessau. Nach der Auflösung des Bauhauses war Klee ab 1931 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, an der auch Heinrich Campendonk lehrte. Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde er 1933 entlassen und ging mit seiner Familie ins Exil nach Bern. Wenn auch seit 1935 gesundheitlich stark geschwächt, hatte Klee in seinen letzten Lebensjahren noch einmal eine sehr produktive Schaffensphase, begleitet von retrospektivischen Ausstellungen. Während seines Kuraufenthaltes im Tessin starb Klee 1940.
Erste Ausstellungen mit einer kleinen Auswahl an Hinterglasbildern im Jahr 1908 auf der Internationalen Kunst-Ausstellung des Vereins bildender Künstler Münchens „Secession“ und 1909 mit sechs Arbeiten auf der Berliner Secession brachten Klee öffentliche Beachtung. Nur noch zweimal, 1910 in der Schweiz und 1920 in München, zeigte Klee einige seiner Hinterglasbilder. Mehr als vierzig Werke verblieben bis 1940 in Künstlerbesitz.
Simone Bretz
Literatur (Auswahl)
Glaesemer, Jürgen: Paul Klee. Die farbigen Werke im Kunstmuseum Bern. Gemälde, farbige Blätter, Hinterglasbilder und Plastiken, Bern 1976.
Görtler, Julia: Die Hinterglasmalerei von Paul Klee untersucht an ausgewählten Werken. Quellenbeläge, material- und maltechnische Untersuchungen für zukünftige Konservierungskonzepte, Diplomarbeit Berner Fachhochschule, 2001.
Klee, Paul: Briefe an die Familie 1893–1940, hrsg. von Felix Klee, Bd. 1: 1893–1906, Bd. 2: 1907–1940, Köln 1979.
Klee, Paul: Tagebücher 1898–1918, hrsg. von Paul-Klee-Stiftung, Kunstmuseum Bern, textkritische Neuedition von Wolfgang Kersten, Stuttgart, Teufen 1988.
Salmen, Brigitte: „»wie glücklich die Idee mit den Glasbildern war.«. Hinterglasmalerei von Paul Klee“, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 66, Berlin 2012, S. 206–230.
Zentrum Paul Klee Bern (Hrsg.): Die Hinterglasbilder von Paul Klee, hrsg. vom Zentrum Paul Klee Bern, mit Beiträgen von Michael Baumgartner, Peter Fischer, Gregor Wedekind, Julia Bigler und Patricia Zeppetella, Barbara Scheibli, Köln 2015.
Kölschbach, Joseph (Köln 1892 – 1947 Rhöndorf)
Josef Kölschbach begann 1912 das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Nach dem Besuch der Ausstellung des „Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“ in Köln brach er das Studium ab und wurde freischaffender Künstler. Durch Max Ernst lernte er August Macke kennen, der ihn zu der „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“ in Bonn einlud. Kölschbach stellte dort mehrere Hinterglasbilder und Kompositionen vor. Macke sorgte auch für seine Teilnahme am „Ersten Deutschen Herbstsalon“ der Berliner Galerie „Der Sturm“, wo er eine Komposition und eine Aktkomposition ausstellte, während zwölf Hinterglasbilder bei dem Transport nach Berlin zerbrachen. 1914 nahm Kölschbach mit Glasfensterentwürfen und Malereien an der Werkbundausstellung in Köln teil. Zu den wenigen verbliebenen Hinterglasarbeiten zählt die »Sorgende Frau«.
Bis 1933 reiste Kölschbach regelmäßig nach Paris und pflegte seine Künstlerfreundschaft mit Max Ernst. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten galten seine Bilder als „entartet“ und wurden 1937 in deutschen Museen beschlagnahmt. Auf die politische Repression reagierte Josef Kölschbach mit Depressionen. Nach Ende des Krieges kehrte er 1945 nach Köln zurück.
Diana Oesterle, Simone Bretz
Literatur (Auswahl)
Die Rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde, hrsg. vom Städtischen Kunstmuseum Bonn, Ausst.-Kat. Städtisches Kunstmuseum Bonn 1979, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld 1979, Von der Heydt-Museum Wuppertal 1979, Recklinghausen 1979.
Ein expressionistischer Sommer, Bonn 1913, hrsg. von Stephan Berg und Irene Kleinschmidt-Altpeter, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bonn, München 2013.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
L
Lamers, Hanns (Kleve 1897 – 1966 Düsseldorf)
Hanns Lamers hatte in den 1920er-Jahren in München, Berlin und Paris studiert. Seine frühen Arbeiten sind stark expressionistisch geprägt, es folgt eine naturalistische Phase. Nach der Zerstörung fast des gesamten Frühwerks in Zweiten Weltkrieg, fand Lamers 1948 zur Hinterglasmalerei, beeinflusst von Kubismus und Surrealismus. Hier versuchte er als Pazifist die Erlebnisse des Krieges auszudrücken bzw. zu verarbeiten und sich mit dem Zeitgeschehen auseinanderzusetzen. Die aufrechte oder zerbrochene Säule und die klingende oder zerstörte Harfe tauchen dabei immer wieder als Leitmotiv auf. In den 1960er-Jahren wurde seine Kunst wieder abstrakt. Neun Hinterglasbilder, gemalt zwischen 1952 und 1962, wurden auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt. Weit über 100 Hinterglaswerke Lamers sind nachweisbar, die letzten Arbeiten geschaffen bis kurz vor seinem Tod.
Sein Wohnhaus-Atelier in Kleve entwickelte sich zu einem wichtigen Treffpunkt für junge Künstler, darunter Joseph Beuys und Pierre Theunissen.
Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.
Wöbkemeier, Ruth: Walter Dexel (1890–1973), Werkverzeichnis Gemälde, Hinterglasbilder, Gouachen, Aquarelle, Collagen, Ölstudien, Entwürfe zu Bühnenbildern, Heidelberg 1995.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Leckwyck, Edith van (Antwerpen, Belgien 1899 – 1987 Amsterdam, Niederlande)
Die gebürtige Antwerpenerin Edith van Leckwyck floh 1914, mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs, zusammen mit ihren wohlhabenden Eltern nach Den Haag. Tief beeindruckt von der dortigen Ausstellung "Expressionisten/ Kubisten" der Galerie DER STURM im Kunstsalen d'Audretsch absolvierte van Leckwyck ihren ersten Malkurs, u.a. bei dem belgischen Futuristen Jules Schmalzigaug. Nach dem Krieg lernte sie den persischen Botschafter Prinz Mirra Mahmoud Khan des Beny Saghap kennen, mit dem sie von 1918 bis 1921 verheiratet war. Zurück in Antwerpen wurde van Leckwyck 1923 Schülerin von Floris Jespers, wo sie mit der Hinterglasmalerei in Berührung kam, wie ein frühes Hinterglasbild von 1924 belegt. Anschließend arbeitete sie als freischaffende Künstlerin, mit Ausstellungstätigkeiten in Holland, Belgien und Deutschland von 1927 bis 1935. Ihre künstlerische Tätigkeit setzte sie erst 1962 fort.
1929 lernte van Leckwyck anlässlich einer Ausstellung des Antwerpener Kunstvereins Wassily Kandinsky und Heinrich Campendonk kennen. Nach dieser Begegnung tauschte Campendonk sein Hinterglasbild »Pierrot mit Guitarre« von 1928 (Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. Nr. 10041) mit van Leckwyck, die ihm dafür ihr Gemälde »Vogelfantasmagorie« von 1930 (Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. Nr. 10043) überließ. Das Künstlerpaar, welches 1935 heiratete, unternahm viele gemeinsame Reisen, u.a. nach Norwegen und die Bretagne. Sowohl Campendonk, als auch van Leckwyck setzten die gesehenen Hafeneindrücke künstlerisch um: Campendonk in stilisierten Zeichnungen und Aquarellen, van Leckwyck in dem Hinterglasbild "Lofoten" von 1933, in Privatbesitz, signiert mit “E. van Leckwyck”.
Das Paar lebte seit 1935 in Amsterdam, wo Campendonk an der Rijksakademie für bildende Künste lehrte. Erst nach seinem Tod setzte van Leckwyck ihr künstlerisches Schaffen in Form von Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Pastellen fort und schuf weitere Hinterglasbilder. Die Beteiligung an der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum Mainz zu „Hinterglas-Malerei im XX. Jahrhundert“ mit ihrem Hinterglaswerk »Bretonische Küste« von 1929 hatte sie vermutlich dazu angeregt. Die nur wenigen bekannten, frühen Hinterglasbilder van Leckwycks, alle in Privatbesitz, zeigen Meer- und Hafenszenen sowie Blumenstillleben. Neun Hinterglasarbeiten Campendonks wurden ebenfalls in Mainz präsentiert. Van Leckwyck kümmerte sich um seinen Nachlass und ermöglichte Ausstellungen mit seinen Werken.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Heinrich Campendonk, Edith van Leckwyck, Aukt.-Kat. Galerie Wolfgang Ketterer, München 1976.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Lemmé, Maria (1880–1943)
M
Macke, August (Meschede 1887 – 1914 in Perthes-lès-Hurlus, Frankreich)
Anfang 1910 lernte der am Tegernsee lebende August Macke den sieben Jahre älteren Franz Marc kennen. Die beiden verband schnell eine enge Künstlerfreundschaft. Aufgefordert durch Marc beteiligte sich Macke 1911 an der Redaktion des „Almanachs“ sowie an der Ausstellung „Der Blaue Reiter“. In diesem Umfeld lernte Macke die oberbayerische Hinterglasmalerei kennen, deren Technik sich Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in Murnau angeeignet hatten und an die befreundeten Künstler weitergaben. Von Elisabeth Erdmann-Macke (1888–1978) erfahren wir, dass der Besuch „bei einem Bierbrauer in Murnau [Johann Krötz], der eine Riesensammlung davon in verschiedenen Stilen besaß“, für die Maler der Auslöser war, sich mit dieser Technik zu befassen (Bartmann, Dominik: August Macke, Kunsthandwerk, Berlin 1979, S. 29–30). Die Leuchtkraft der reinen Farben auf der Glastafel bestärkte sicherlich Mackes Beschäftigung mit der Wirkung des Lichtes.
Als talentierter Netzwerker und engagierter Ausstellungsorganisator in Köln, Bonn und Berlin war Macke ein wichtiger Vermittler der Hinterglaskunst in den Künstlerkreis des „Rheinischen Expressionismus“. Im November 1910 zog er nach Bonn zurück und unterstützte 1911 das künstlerische Talent von Paul Adolf Seehaus.
Bislang sind neun Hinterglasarbeiten Mackes aus den Jahren 1911/12 bekannt. Das kleinformatige Bild »Hirte mit Tieren«, um 1912, gemalt in seiner Bonner Zeit, machte er Franz Marc zum Geschenk. Das Hinterglasbild »Alte hölzerne Tanzfiguren« von 1911 wurde auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.
Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Marcoussis, Louis (1878–1941)
Mayer-Beck, Friedrich (1907–1977)
Molzahn, Johannes (1892–1965)
Muche, Georg (Querfurt 1895 – 1987 Lindau)
Georg Muche - Maler, Grafiker und Hochschullehrer - absolvierte eine kurze Ausbildung an einer privaten Münchener Kunstschule. In Berlin, von 1914 bis 1917 dort freischaffend tätig, hatte er Kontakt zur Gruppe um Herbert Waldens Galerie „Der Sturm“, wo Muche bereits 1916 ausstellte. Enge Freundschaft pflegte er zu Arnold Topp, der in zahlreichen Sturm-Ausstellungen seine Hinterglasbilder zeigte. Ohne umfangreiche Ausbildung wurde Muche in der neu gegründeten Kunstschule des „Sturm“ 1916 aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten als Lehrer für Malerei angestellt. Nach seinem Militärdienst im Ersten Weltkrieg (1917/18) wurde er 1920 von Walter Gropius an das Staatliche Bauhaus berufen, um dort als Meister und Professor für Holzschnitzerei in Weimar und Dessau bis 1927 tätig zu sein. Es folgten Lehrtätigkeiten in Berlin (1927–1930), in Breslau (1931–1933), bis 1938 wieder in Berlin und ab 1939 bis 1958 in Krefeld. Während des Zweiten Weltkriegs fand auch Muche, neben Oskar Schlemmer und Willi Baumeister ein künstlerisches Betätigungsfeld in der Lackfabrik von Dr. Herberts in Wuppertal, wo er 1942 große Fresken ausmalte.
Als Hinterglasmaler ist Muche, im Gegensatz zu Schlemmer, kaum in Erscheinung getreten. Einzig das im Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in Berlin befindliche Hinterglasbild »Stilleben („Für Hanni“)«, um 1925, mit dem Glasmaß 13 x 18 cm hat sich erhalten. Bei der Adressatin handelt es sich vermutlich um Hanni Ganzer (geb. 1893), die im Sommersemester 1922 im Bauhaus Weimar an der Grundlehre von Georg Muche teilgenommen hat. Als weiterer Nachweis ist einem Brief Muches an Herwarth Walden vom 15.9.1917 (Sturm-Archiv der Staatsbibliothek Berlin) der Hinweis zu entnehmen, dass eine baldige Versendung eines „Glasbildes“ nach Berlin bevorsteht. In vier Ausstellungskatalogen der Galerie „Der Sturm“ von 1917 bis 1919 sind sechs Hinterglasbilder, hier benannt als „Glasbilder“ ohne Titelbezeichnung, aufgeführt (49. Ausstellung vom Februar 1917, Nr. 63, 64; 59. Ausst. vom Januar 1918, Nr. 51; 75. Ausst. vom Juni 1919, Nr. 99; 78. Ausst. vom September 1919, Nr. 11, 22).
1946 nahm Werner Schriefers, der mehr als 500 Hinterglasbilder geschaffen hatte, das Studium der Textilkunst an der Textilingenieurschule in Krefeld bei Georg Muche auf.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Happy Birthday! Bauhaus-Geschenke, Ausst.-Kat. Bauhaus-Archiv Berlin, Museum für Gestaltung, hrsg.für das Bauhaus-Archiv von Klaus Weber, Berlin 2004.
Münter, Gabriele (Berlin 1877 – 1962 Murnau)
N
Nägele, Reinhold (Murrhart 1884 – 1972 Stuttgart)
Reinhold Nägele wurde zunächst als Dekorationsmaler im Familienunternehmen ausgebildet. Als freischaffender Künstler entwickelte er die für ihn typische, mit feinem Pinselduktus gesetzte zeichnerische Figuren- und Landschaftsmalerei und bevorzugte kleine Formate. 1907 wurden seine Werke bei Paul Cassierer in Berlin ausgestellt, was ihm zu erster Öffentlichkeit und Erfolg verhalf. Seit 1922 entwickelte Nägele die anspruchsvolle Technik der Hinterglasmalerei zu seinem speziellen Bildmedium. Phantasievolle, surreale Bilder zeigen ihn als aufmerksamen Beobachter des Zeitgeschehens. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte Nägele mit seiner jüdischen Ehefrau in die USA. 1963 kehrt er in seine Heimatstadt Murrhardt zurück. Die Hinterglasmalerei »Schöpfung« von 1963 gehört zu einem Gesamtwerk von über 280 Hinterglasbildern, entstanden zwischen 1922 und 1970.
Diana Oesterle
Literatur
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Nebel, Otto (1892–1973)
P
Prax, Valentine (Bône/ frz. Algerien 1899 – 1981 Paris)
Aufgewachsen als Tochter des französischen Vize-Konsuls in Algerien, studierte Valentine Prax an der École des Beaux-Arts in Algier. 1919 zog sie nach Paris, wo sie den Bildhauer Ossip Zadkine (1890–1967) kennenlernte und ein Jahr später heiratete. Zadkine vermittelte Kontakte in avantgardistische Künstlerkreise. Vermutlich durch Louis Marcoussis und Heinrich Campendonk inspiriert, fand Valentine Prax zur Hinterglasmalerei - bekannt sind an die 20 Malereien hinter Glas. Ab 1924 stellte Prax ihre Hinterglasbilder in Pariser und Brüsseler Galerien mit großem Erfolg aus. Die Hinterglasmalerei wird in den 1920/30er-Jahren ihre bevorzugte Technik, wie beispielsweise »Jeunesse« von 1928. Mit flüchtigem Pinselstrich führt sie ihre Hinterglasbilder aus, deren Motive meist gegenständlich, manchmal archaisch sind. Vögel, die für eine poetische Leichtigkeit stehen, werden zu Valentines Prax’ Seelentieren.
Diana Oesterle
Literatur
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
R
Rabus, Carl (1898–1983)
S
Schamoni, Albert (Hamm 1906 – 1945 an der Ostfront vermisst)
Albert Schamoni studierte an der Kunstakademie Düsseldorf kurzzeitig in der Klasse Heinrich Campendonks und kam möglicherweise hier mit der Technik der Hinterglasmalerei in Berührung. Lebenslange Freundschaft verband ihn mit den Malerkollegen Josef Horn und Otto Coester. Ab 1937 lehrte er als Studienrat am Gymnasium in Gelsenkirchen. Im Jahr 1942 wird er als Soldat eingezogen und ist seit Januar 1945 an der Ostfront (Weichselbogen/ Polen) vermisst.
Zwischen 1926 und 1936 arbeitete Schamoni mehrfach mit den tschechischen Verlegern Josef Florian, Josef Portman und Otto František Babler zusammen und illustrierte 19 als Handpressendruck erschienene Bücher, unter anderem von Franz Kafka. Das nachgelassene Werk von Albert Schamoni hat seine Frau über den Zweiten Weltkrieg gerettet, wozu wenige Hinterglasarbeiten zählen, wie »Ganymed (Aufstieg)« von 1931.
Diana Oesterle
Literatur
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Schriefers, Werner (Dülken 1926 – 2003 Köln)
Werner Schriefers – Künstler, Designer, Hochschullehrer und Sammler – studierte zwischen 1943 und 1945 Kunstgeschichte in Köln, unterbrochen durch den Militärdienst. Kurz nach 1945 hatte Schriefers Kontakt zum Architekten Heinz Rasch (1902–1996), der in einem Atelier in Wuppertal-Elberfeld verfolgten Künstlern wie Oskar Schlemmer, Willy Baumeister und Georg Muche vor den Nachstellungen der Nationalsozialisten ein „künstlerisches Asyl“ geboten hatte. Von 1946 bis 1948 studierte Schriefers als Assistent von Muche an der Textilingenieurschule in Krefeld. Mit nur 23 Jahren wurde er 1949 an die Werkkunstschule Wuppertal für den Bereich Flächenmusterung und Textilgrafik berufen und baute die Abteilung „Grundlagen der Gestaltung“ auf. 1965, als Direktor der Kölner Werkschulen, setzte Schriefers den Schwerpunkt vermehrt auf die Formgebung. Bis 1989 lehrte er als Professor für Malerei an der Fachhochschule Köln. Seine umfangreiche Design-Sammlung stiftete Schriefers 1986 der Universität Wuppertal und 2002 seine Werk- und Formensammlung dem erzbischöflichen Diözesanmuseum Kolumba in Köln.
Werner Schriefers schuf ein umfangreiches Oeuvre: Gemälde, gemalt mit Wasser-, Tempera- und Ölfarbe, Pastell und Acryl, außerdem Hinterglasbilder und Zeichnungen - vom Gegenständlichen bis zur Abstraktion. Auf die zum Teil im Trümmerschutt gefundenen Glastafeln begann Schriefers 1946, sich mit der Hinterglaskunst ein eigenes Terrain zu erobern. In dem Wuppertaler „Studio für Neue Kunst“ zeigte Heinz Rasch Hinterglasbilder von Schriefers, die zwischen 1946 und 1949 entstanden waren. Das Hinterglasbild "Zentrum" von 1949 in einer Privatsammlung (monogrammiert/ datiert: „W.S 49“) bildet eine klar ausgearbeitete Komposition mit dicht gemalten, kompakten Flächen ab. Johannes Cladders jun. (1924–2009) äußerte sich zu den frühen Hinterglaswerken Schriefers: „Bilder intimen Charakters, verhalten in den Farben, Rot- und Blautöne dominieren und glühen mit einer hintergründigen Intensität, wie sie nur das Glas hervorzubringen vermag, auf dessen Rückseite sie aufgetragen wurden. Es sind freie farbliche Spiele, zunächst strukturiert durch eine Formenwelt, die dem Geometrischen verpflichtet ist. Gegenständliches läßt sich in ihnen mehr erahnen als identifizieren.“ (Cladders 1991, S. 11).
Die Inspiration für die Hinterglasmalerei fand Schriefers im Kreis Krefelder Kollegen der „Künstlergruppe 1945“, besonders über Johannes Cladders sen., dem Vater eines Mitschülers, der sich ab 1944 als freiberuflicher Kunstgewerbemaler ausschließlich der Hinterglasmalerei widmete. Beide bezogen sich auf das Werk der frühen Expressionisten wie Heinrich Campendonk, welcher diese Technik aus Bayern an den Niederrhein mitgenommen hatte. 1950 stellten die Künstler gemeinsam in der Hinterglasausstellung „Johannes Cladders und Werner Schriefers“ in der Krefelder Buchhandlung Uhrig aus (Schriefers/Schriefers 2004, S. 38).
In Schriefers Kunstschaffen nahm die Hinterglasmalerei eine wichtige Stellung ein, welche er zeitlebens verfolgte. Insgesamt schuf er über 500 Werke, von denen die meisten signiert und datiert sind. Die Bildinhalte reichen vom geometrischen Landschaftsbild über informelle Hinterglasbilder sowie impressionistisch anmutende Hinterglasarbeiten der 1980er-Jahre und die skripturalen Werke der 1990er-Jahre. Die gesellschaftlichen Unruhen und den folgenschweren Raubbau der Umwelt verarbeitete Schriefers zwischen 1968 und 1976 mit einer großen Hinterglas-Werkgruppe, die er als „Smog-Zyklus“ bezeichnete. Derartige Hinterglas-Landschaften mit hoher transparenter Wirkung wurden mit der Spritzpistole aufgebrachten Malfarben und Bronzen bereichert. Werner Schriefers Werk wurde auf zehn Ausstellungen zwischen 1945 bis 1961 im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld gezeigt. Es folgte 1971 eine große Schau mit „Hinterglasbildern und Glasobjekten 1969–71, Smoglandschaften und Banditen“. 1999 entstand ein letztes, großformatiges Werk hinter Glas. Hinterglasmalereien Werner Schriefers finden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen.
Simone Bretz, Diana Oesterle, Thomas Schriefers
Literatur (Auswahl)
Cladders, Johannes: »Bilder-Bogen, Erinnerungen und Beobachtungen anlässlich des 65. Geburtstages von Werner Schriefers«, in: Werner Schriefers, 45 Jahre Malerei, Ausst.-Kat. Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln, Köln 1991.
Schriefers, Werner. Bilder, Ausst.-Kat. Werner Schriefers - Bilder Hinter Glas und Neue Arbeiten, Stadtmuseum Siegburg und Werner Schriefers - Bilder von 1946 bis heute, Städtische Galerie im Park, Viersen, Siegburg/Viersen 1999.
Schriefers, Magret; Schriefers, Thomas: Werner Schriefers, … arbeiten wie der Vogel singt, Bramsche 2004.
Kraus, Stefan; Surmann, Ulrike; Steinmann, Marc; Flüe, Barbara von: Werner Schriefers, Kolumba – Werkhefte und Bücher, Band 45, Köln 2016.
Schrimpf, Georg (1889–1938)
Schwitters, Kurt (1887–1948)
Seehaus, Paul Adolf (Bonn 1891 – 1919 Hamburg)
Die künstlerische Begabung von Paul Adolf Seehaus wurde früh von dem, um nur wenige Jahre älteren August Macke gefördert. Von 1911 bis 1914 bildete Macke ihn als „Meisterschüler“ aus und machte Seehaus mit aktuellen Kunstströmungen wie Fauvismus, Kubismus und Futurismus vertraut. Für die „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“ im Kunstsalon Friedrich Cohen in Bonn (10.7.–10.8.1913) wählte Macke mehrere Gemälde, Aquarelle und zwei Hinterglasbilder von Seehaus (unter dem Pseudonym „H. G. Barnett“). Auch auf dem „Ersten Deutschen Herbstsalon“ der Galerie „Der Sturm“ in Berlin (20.9.–1.12.1913) war Seehaus mit einigen Werken vertreten. Die zeitgenössische Kunstkritik hob ihn als vielversprechendes Talent hervor.
Für Anfang 1918 organisierte Seehaus die Ausstellung „Das Junge Rheinland“ im Kölnischen Kunstverein (1.1.–30.1.1918), an der er selbst mit Werken teilnahm. Im November 1918 beendete er das Kunstgeschichtsstudium mit Promotion an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Im Alter von 27 Jahren verstarb Paul Adolf Seehaus an einer Lungenentzündung. Durch seinen frühen Tod ist Seehaus heute als Expressionist weitgehend in Vergessenheit geraten.
Neun, nicht signierte Hinterglasbilder, geschaffen zwischen 1912 und 1917, sind bekannt, von denen fünf Arbeiten verschollen sind. Anregung zur Hinterglasmalerei erhielt Seehaus vermutlich durch Macke, der wiederum die Hinterglastechnik aus Bayern im Umfeld des „Blauen Reiter“ mitbrachte. Die »Wasserschöpferin«, um 1914 einer Privatsammlung als kleinformatiges Hinterglasbild wird der Gruppe der Figurenbilder zugerechnet, welche um 1914 entstanden sind.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Die Rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde, hrsg. vom Städtischen Kunstmuseum Bonn, Ausst.-Kat. Städtisches Kunstmuseum Bonn 1979, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld 1979, Von der Heydt-Museum Wuppertal 1979, Recklinghausen 1979, S. 361–380.
Ein expressionistischer Sommer, Bonn 1913, hrsg. von Stephan Berg und Irene Kleinschmidt-Altpeter, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bonn, München 2013, S. 23, 94.
Dering, Peter: Paul Adolf Seehaus (1891–1919), Leben und Werk, Monographie und Werkverzeichnis, August Macke Haus, Bonn 2004.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017, Farb-Abb. (S. 12, 13), S. 72.
Soulages, Pierre (1919)
Stegemeyer, Elfriede (1908–1988)
Steinitz, Käthe (1889–1975)
T
Teuber, Hermann (1894–1985)
Topp, Arnold (Soest 1887 – 1945 verschollen, 1961 für tot erklärt)
Arnold Topp, zunächst als Volksschullehrer ausgebildet, folgte seiner künstlerischen Berufung und erhielt von 1909 bis 1911 eine Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Königlichen Kunstschule in Düsseldorf. 1913 ging Topp aufgrund einer Anstellung als Sport- und Zeichenlehrer in die Stadt Brandenburg an der Havel, wo er bis 1940 mit seiner Familie wohnte. Während regelmäßiger Berlinaufenthalte entstanden Freundschaften mit dem Architekten Bruno Taut (1880–1938) und seinem Künstlerkollegen Georg Muche. Bedeutsam für seine künstlerische Entwicklung war ab 1918 der Austausch mit Fritz Stuckenberg (1881–1944) und ganz besonders mit dem flämischen Dichter Paul van Ostaijen (1896–928). In Berlin pflegte Topp den Kontakt zu Herwarth Walden, in dessen Galerie „Der Sturm“ er von 1915 bis 1928 ausstellte. Seine beruflichen Erfolge zeigten sich auch international mit Beteiligung an Ausstellungen in Skandinavien (Kopenhagen), der Schweiz, USA, Sowjetunion und Japan.
Die Auseinandersetzung Tauts mit dem Medium Glas mag Topp zur Hinterglasmalerei geführt haben. Mutmaßlich haben ihn auch die Glasbilder von Nell Walden angeregt – Topp war häufig Gast im Hause Walden. Auf der Gemeinschaftsausstellung von Walden, Topp und Hans Sittig, der 63. STURM-Ausstellung 1918, war Topp mit neun, Nell Walden mit 14 Hinterglasarbeiten vertreten. Weitere Glasbilder Arnold Topps wurden auf der 75. Ausst. im Juni 1919 mit zwei Arbeiten, der 104. Ausst. im Jan. 1922 mit vier Arbeiten und der 123. Ausst. im Sept. 1923 mit 11 Arbeiten gezeigt. Mit jeweils nur einem Glasbild war er auf folgenden Berliner STURM-Ausstellungen vertreten: 128. Ausst. im Feb. 1924, 133. Ausst. im August 1924, 134. Ausst. im September 1924, 136. Ausst. im Nov. 1924, 141. Ausst. im Mai/ Juni 1925, 142. Ausst. im Juli 1925 und der 144. Ausst. im Sept. 1925, außerdem im Jahr 1923 in Kopenhagen, in Kristiania und in Göteborg sowie 1924 in Gera. Das Hinterglasbild »Stillleben mit blauer Vase« von 1916 (Kunstmuseum Bern) wurde auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.
Nur wenige der Hinterglaswerke Topps haben sich erhalten, 49 Bilder sind überliefert, von weit mehr ist auszugehen, von etlichen ist der Verbleib unbekannt. Das früheste überlieferte Hinterglasbild stammt aus dem Jahr 1916, weitere entstanden bis 1925 (z.B. »Glasbild 3, Bild mit roter Form« von 1918, (Privatsammlung) und »Blumen« von 1922 (Privatsammlung); an die 20 Arbeiten aus dem 1933er-Jahr sind verschollen.
Über die 104. Sturm-Ausstellung im Januar 1922, u.a. mit Arnold Topp, schrieb Curt Bauer, dass seine „große Kollektion von Ölgemälden, Aquarellen, Glasbildern, Holzschnitten… (d)ie kubistischen Linienüberschneidungen den Gegenständlichen einen Spielraum (lassen)… Vom Alltäglichen gelangen wir zum Metaphysischen. Dann steigern sich die sonst gedämpften Farben aus Blau-Grau in leuchtendes Rot und Gelb. Topp ist kein himmelsstürmendes Talent, aber er redet in seiner anspruchslosen, kubistisch gegliederten Einfachheit eine sympathische Sprache“ (Curt Bauer: Berliner Kunstausstellungen, in: Der Cicerone, XIV. Jg. 1922, S. 86).
Zu den in der 123. Sturm-Ausstellung (September 1923) gezeigten Hinterglasbildern, wie z.B. »Malven«, 1923, Privatsammlung, äußerte sich Willi Wolfradt folgendermaßen: „Einige mit Gold und Silber unterfütterten Hinterglasmalereien sind wirklich hübsch.“ (Willi Wolfradt: „Berliner Ausstellungen“, in: Der Cicerone, XV. Jg. 1923, S. 851).
Der große Verlust zahlreicher Werke Topps ist einerseits der nationalsozialistischen Beschlagnahmeaktion 1937 geschuldet, andererseits der möglichen Plünderung seines Ateliers in Meseritz (heute Polen); Topp war 1940 dorthin versetzt worden. 58jährig wird er im letzten Kriegsjahr zum Volkssturm einberufen. Seit einem Kampfeinsatz galt er als verschollen und wurde 1961 für tot erklärt. Vermutlich fiel Topp noch im letzten Kriegsmonat 1945. Erst im Jahr 2007 gelang Rainer Enders mit dem Erstellen eines Werkverzeichnisses die künstlerische Rehabilitierung Arnold Topps.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.
Enders, Rainer: Arnold Topp. Ein Lebensbild mit einem Werkverzeichnis von Thomas Greifeld & Rainer Enders, Weimar 2007.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
U
Uhlenhuth, Marianne (Bamberg 1895 – 1952 München)
Die in Bamberg geborene Künstlerin Marianne Uhlenhuth leitete von 1924 bis 1944 die Klasse für Stoffdruck an der renommierten Frankfurter Städelschule. Ab 1952 lebte sie als freischaffende Künstlerin in München. Sie experimentierte mit verschiedenen Techniken wie Wachskreide, Aquarell, Gouache und Tusche, zumeist als abstrakte Werke. Das Hinterglasbild aus dem Jahr 1954 ist die einzig bekannte Glasarbeit von ihr. Stilistisch zeigt es die Nähe zu Uhlenhuths flächigen Teppich- und Stoffentwürfen.
Diana Oesterle
Literatur
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Unruh, Kurt von (1894–1986)
V
Vincenz, Hans (1900–1976)
W
Walden, Nell (Karlskrona, Schweden 1887 – 1975 Bern, Schweiz)
1912 heiratete die Schwedin Nell Rosland den Berliner Publizisten und Galeristen Herwarth Walden (1878–1941). Sie wurde zur wichtigsten Geschäftspartnerin im Unternehmen „Der Sturm“.
Auf einer Reise nach München lernte Nell Walden die Künstler des »Blauen Reiter« sowie Gabriele Münter und deren Sammlung an volkskundlicher Hinterglasmalerei kennen. Von diesem Erlebnis inspiriert, begann sie 1915, selbst Hinterglasbilder anzufertigen. Über das anfängliche Kopieren traditioneller Motive gelangte sie zu gegenständlichen eigenen Kompositionen in abstrakter Malweise. Ab 1917 stellte sie eigene Hinterglasbilder im „Sturm“ aus, ermutigte weitere Künstler zu dieser Technik und beeinflusste damit maßgeblich die Verbreitung der Hinterglasmalerei in andere Kunstkreise.
Parallel baute sie sich eine eigene Kunstsammlung auf, in welcher sich ebenfalls Hinterglasarbeiten von „Sturm“-Künstlern befanden. Nach der Scheidung von Herwarth Walden 1924 führte Nell Walden sowohl ihre Sammlertätigkeit als auch ihr Kunstschaffen fort. Ihr eigens geführtes Werkverzeichnis listet über 100 Hinterglasmalereien auf, von 1916 bis 1972. Drei Hinterglasbilder von 1915 und 1923 wurden auf der Ausstellung im Gutenberg-Museum in Mainz im Jahr 1962 gezeigt.
Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.
Franz Weiss (1921–2014)
Max Wendl (München 1904 – 1984 München)
Max Wendl, der als Maler, Grafiker und Künstler von Glasmalerei und Werken angewandter Kunst ein umfangreiches Oeuvre hinterlassen hat, wurde in eine künstlerisch-musische Familie geboren. Der Vater, Joseph Max Wendl, pflegte als Vergoldermeister enge Kontakte zur Münchner Künstlerszene wie zu Franz von Stuck und Richard Riemerschmid (1868–1957), der später Lehrer von Wendl an der Münchner Kunstgewerbeschule (1921 bis 1926) und den Kölner Werkschulen (1926 bis 1931) wurde. Das Erlernen der Vergoldungstechnik beim Vater und deren Anwendung auf Hinterglasbildern als Technik des Églomisés sind auf diese prägenden Einflüsse zurückzuführen.
Eine Glasmalereiausbildung absolvierte Wendl zwischen 1919 und 1921 an der Bayerischen Hofglasmalerei van Treeck in München. Es folgte das Studium bei Riemerschmid, der ihn zeitweise finanziell unterstützte. An der Kunstgewerbeschule wurde ein reformorientierter Ansatz in allen Bereichen der bildenden und angewandten Kunst verfolgt. Ende 1923 schuf Wendl erste Hinterglasbilder, die er in einem Brief an Riemerschmid beschrieb: „Mir sind einige Glasbilder recht hübsch gelungen…“ (Marks-Hanßen 2011, S. 12). Von einem, um das Jahr 1925 geschaffenen Hinterglas-Kreuzweg von 14 Stationen mit schwarzen, zarten Konturlinien und übergroßen, gelängten Figuren, haben sich fünf eglomisierte Glasarbeiten erhalten; die 14 Vorzeichnungen sind noch vorhanden ("Kreuzwegstation 6: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch", um 1925, Privatsammlung). Es ist nicht bekannt, ob es sich hierbei um eine Auftragsarbeit für eine Kirchenausstattung handelte, die Größe der Glastafeln von 31 x 26 cm lassen jedoch darauf schließen.
Zusammen mit seinem Studienkollegen und Freund, Joseph Mader, setzte Wendl 1926 seine künstlerische Ausbildung in Köln fort und wurde Meisterschüler von Johan Thorn Prikker (1868–1932), der die Klasse für Mosaik, Glasmalerei und Wandbild innehatte. Die Glasarbeiten, die sich aus der Münchner und mehrheitlich der Kölner Studienzeit erhalten haben, sind allesamt Hinterglasmalereien. 1928 erhielt Wendl über Thorn Prikker den Auftrag, für die Weltfachschau der „Internationalen Presse-Ausstellung“ in Köln das Zeitungswesen in einem Bildprogramm als Einheit von technischem und geistigem Schaffen in Hinterglastechnik umzusetzen. Im Empfangsraum des Rheinischen Museums, das zentrale Ausstellungsgebäude der PRESSA, wurde Wendls Werk präsentiert. Den Umfang der nicht mehr erhaltenen Wandpaneele mit dem Titel »Die Zeitung als Spiegel der Zeit«, an verschiedenen Stellen mit „Max Wendl, Köln“ signiert, gibt einzig ein Foto wieder. Die neun vertikalen schmalen Bahnen mit acht, etwa quadratischen Glastafeln „kirchenfensterähnlichen Hinterglasgemälde“ stellen das einzige Zeugnis monumentaler profaner Hinterglasmalerei Wendls dar (Marks-Hanßen 2011, S. 105-107).
Die Beteiligung an der „Deutschen Werkbund-Ausstellung“ in Köln im Jahr 1929 bedeutete für Wendl, neben Teppichentwürfen, Intarsien und anderen Kunstwerken, auch zwei Hinterglasbilder zeigen zu können.
Nach dem Zweiten Weltkriegs setzte Wendl 1945 sein künstlerisches Schaffen am Chiemsee fort, konnte aber nicht mehr an seine vielversprechende Karriere anknüpfen. Kleinformatige Hinterglasbilder, die er bei Bauern in der Umgebung gegen Lebensmittel eintauschte, sicherten die Grundversorgung in der Nachkriegszeit.
Humoristische, karikierende Arbeiten, aber auch der Themenkomplex „Mensch und Tier“ beschäftigten Wendl zeitlebens, umgesetzt in zahlreichen Hinterglasbildern der 1950er- und 1960er-Jahre (z.B. "Ballspielende Kinder und Tiger", 1950, Privatsammlung). Es waren zum Teil rechteckige Glastafeln oder asymmetrisch zugeschnittene, blasige und grünlich getönte Abfallgläser, die Wendl hintermalte - diese zumeist ungerahmt und nur mit Papierklebestreifen auf der Unterlage befestigt. Bekannt sind über 50 Hinterglasarbeiten in privaten Sammlungen aus sämtlichen Schaffensperioden zwischen 1923 und 1972, vorderseitig unsigniert und nicht datiert, lediglich auf der Rückseite mit handschriftlichen Vermerken versehen. Max Wendl zählt zu den Künstlern der „verschollenen Generation“, deren Werk aufgrund der historischen und kunstpolitischen Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zumeist in Vergessenheit geraten ist.
Simone Bretz, Diana Oesterle
Literatur (Auswahl)
Marks-Hanßen, Beate: Max Wendl. 1904-1984, Zeugnisse künstlerischer Vielfalt, Malerei, Grafik, Glaskunst, Entwürfe, mit Beiträgen von Angela Schiffhauer und Ulrike Weinert, Förderkreis Expressiver Realismus e.V. München, Neue Monografische Reihe, Band 4, hrsg. von Ingrid von der Dollen, Bad Honnef 2011
Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.