KünstlerInnen

Biografien der KünstlerInnen im Bereich Hinterglasmalerei sowie kunsttechnologisch-materialanalytische Dossiers zu ausgewählten Hinterglasbildern im Rahmen des Forschungsprojekts über die "Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne 1905–1955".

A

Albers, Josef (Bottrop 1888 - 1976 New Haven, Connecticut)

Josef Albers, Künstler und Lehrer, u.a. am Bauhaus, besuchte von 1905 bis 1908 das Lehrerseminar und unterrichtete bis 1913 als Volksschullehrer. Nach dem Studium an der Königlichen Kunstschule in Berlin (1913–1915) sowie der Kunstgewerbeschule in Essen (1916–1919) studierte Albers an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin und der Kunstakademie in München (1919–1920).

1920 absolvierte er den Vorkurs am Bauhaus Weimar von Johannes Itten, der die künstlerischen Grundlagen für das handwerkliche Gestalten in den Bauhauswerkstätten vermittelte, und anschließend die Werkstatt für Glasmalerei, wo Albers später als Werkmeister für Glas tätig wurde. Albers lehrte von 1923 bis 1928 unter Walter Gropius nach dem Abschied von Itten, zunächst als Jungmeister und ab 1925 als Bauhausmeister. Er leitete in seiner Lehre stets Formen und Funktionen aus den Eigenschaften von Materialien und ihren Möglichkeiten ab. 1925 zog Albers mit dem Bauhaus nach Dessau um, wo der Künstler 1932 in einer ersten umfassenden Einzelausstellung seine Glasarbeiten präsentierte. Nach dem Umzug des Lehrbetriebs nach Berlin im Oktober 1932 lehrte Albers zusätzlich Zeichnen und Schrift. 1933, nach der Schließung des Bauhauses unter den Nationalsozialisten, emigrierte Albers in die Vereinigten Staaten.

Der Werkstoff Glas war für Albers bereits an der Kunstgewerbeschule in Essen unter Jan Thorn-Prikker (1868–1932) ein bedeutsames Material geworden. Er wurde mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß neben der Farbe auch das reale Licht für eine transzendente Bildwirkung in Betracht käme. In »Fliegend«, eine Glasarbeit von 1931 (Staatsgalerie Stuttgart), bestehend aus opakem Milchglas mit eingelassenen schwarzen und roten Streifenmustern, tritt das Licht nicht durch Transparenz, sondern durch die Reflektion der Oberfläche in Erscheinung. In typischer Hinterglastechnik unter Anwendung von Malfarben hat Albers dieses und kein weiteres Werk gefertigt, sondern arbeitete mit dem Sandstrahlgerät zur oberflächlichen Bearbeitung des Glases. Weitere bekannte „Wand-Glasbilder“ befinden sich im Musée National d’Art Moderne - Centre de Création Industrielle, Paris und im Kunstverein Münster. Er nannte seine Arbeiten deshalb „Wand-Glasbilder“, da diese - in Abgrenzung zu „Fensterbildern“, also Glasmalereien - nicht bei Durchlicht wirken, sondern für die Wandhängung bestimmt sind. Einer Einladungskarte an Oskar Schlemmer und seine Frau vom 19.10.1933 (Staatsgalerie Stuttgart/ Archiv Oskar Schlemmer) ist zu entnehmen, dass Albers, kurz vor dem Verlassen Berlins, vom 21. bis 23.10.1933 in seiner Privatwohnung als kleine Ausstellung „Glas-Wandbilder, Fensterbilder u. Holzschnitte“ zeigte. Von den 32 Glasarbeiten, die nach USA geschickten wurden, hatten nur zehn Werke unbeschädigt den Transport überstanden. Nach seiner Emigration arbeitete Josef Albers nicht mehr mit diesem zerbrechlichen Material.

Simone Bretz

 

Literatur

Sim, Daniel: Josef Albers Glasbilder, Studienarbeit, Fachbereich Kunst - Installationen, Aktionskunst, 'moderne' Kunst, Georg-August-Universität Göttingen 2006.

B

Babberger-Tobler, Anna (Flüelen, Schweiz 1882 – 1935 Münsterlingen, Schweiz)

Anna Maria Babberger-Tobler, Tochter eines Schweizer Bankdirektors in Luzern, war als Dichterin, Malerin und Textilgestalterin tätig. Ihre erste künstlerische Ausbildung erhielt sie an den Kunstgewerbeschulen in Luzern und Zürich und bildete sich in München (1903) und Paris (1905/06) weiter. In Florenz lernte sie den Künstler August Babberger (1885–1936) kennen, den sie 1912 heiratete und nach Frankfurt übersiedelte. 1920 erhielt August Babberger eine Professur für Wandmalerei an der Landeskunstschule in Karlsruhe, wo er bis 1933 arbeitete, als ihn die Nationalsozialisten als „entartet“ seines Amtes enthoben und das Künstlerehepaar in die Schweiz zog.

Babberger-Tobler malte, war schriftstellerisch tätig und unterstützte ihren Mann in seinem künstlerischen Schaffen, indem sie als Textilkünstlerin die Ausführung der von ihm entworfenen Wandbehänge übernahm. Die Belastungen aufgrund der Anfeindungen des Nationalsozialismus sowie des Niedergangs der Bank ihres Vaters und des damit verbundenen Verlustes ihrer wirtschaftlichen Grundlage waren derart groß, dass Babberger-Tobler bereits 1935 starb. Noch im selben Jahr ehrte sie das Kunstmuseum Luzern mit einer Gedächtnisausstellung.

Die Hinterglasmalerei nimmt im Werk von Anna Babberger-Tobler eine besondere Stellung ein, auch wenn dieses im Katalog der Ausstellung von 1935 nicht gewürdigt wurde. Im „Allgemeinen Lexikon der bildenden Künstler“ wird wie als Ehefrau von August Babberger ausschließlich als „Hinterglasmalerin“ genannt. Auch im „Künstlerlexikon der Schweiz“ wird diese Technik explizit erwähnt mit „Hinterglasmalerei: Allegorien, Blumen, Stillleben“. Zudem beurteilte Georg Staffelbach in seiner „Geschichte zur Luzerner Hinterglasmalerei“ von 1951 Babberger-Tobler als wegweisend für die Hinterglasmalerei in der Innerschweiz. Bei Staffelbach sind vier Hinterglasarbeiten mit Blumen- und Jahreszeiten-Darstellungen und einem Selbstporträt abgebildet, welche mit goldenen und silbernen Folien hinterlegt sind.

Erna Schillig (199–1993) aus dem Urner Kreis - eine lose Schweizer Künstlergruppe, von August Babberger 1925 gegründet - war eine Verwandte von Babberger-Tobler, ihre Schülerin und beschäftigte sich auch mit der Hinterglaskunst. Als weitere Hinterglasmaler der Innerschweiz sind Berta Bucher (1868–1917), Annemarie von Matt (geborene Gunz, 1905–1967), ihr Ehemann Hans von Matt (1899–1985, bekannt sind zwei Hinterglasbilder von 1925 und 1927) und Ernst Hodler (Hinterglasbild von 1948) zu nennen, aus der Westschweiz René Auberjonois (1872–1957, Hinterglasbild von 1920 und wohl weitere von 1928–29, 1935), Alexandre Cingria (1879–1945) und Henry Bischoff (1882–1951).

Simone Bretz

 

Literatur (Auswahl)

Staffelbach, Georg: Geschichte der Luzerner Hinterglasmalerei von den Anfängen bis zur Gegenwart, Luzern 1951; zu Anna Babberger-Tobler S. 13, 117-118, 132, 134, 139 A12, 171, 235, Tafel 172 Nr. 366–369; zu Erna Schillig S. 13, 117, 139 A12, 171 A1; zu Berta Bucher S. 117, 235, Tafel 171 Nr. 365; zu Annemarie von Matt S. 117, 139 A12, 171 A1; zu Ernst Hodler S. 13, 117, 171 A3, 242.

Gabelmann, Andreas: August Babberger. 1885–1936. Leben und Werk, Diss. Karlsruhe 1999, S. 47.

Baumeister, Willi (Stuttgart 1889 – 1955 Stuttgart)

Willi Baumeister war als Maler, Grafiker, Typograf, Hochschullehrer und Kunsttheoretiker einer der wichtigsten Vertreter der abstrakten Malerei der Moderne. Nach einer Ausbildung zum Dekorationsmaler von 1905 bis 1907 im Malerbetrieb Kämmerer in Stuttgart - sein Onkel war der Hofdekorationsmaler Gustav Kämmerer - nahm er das Studium an der Kunstakademie in Stuttgart auf. Unterbrochen vom Militärdienst folgte 1908 die Fortsetzung der künstlerischen Ausbildung in Stuttgart bis 1912, wo Baumeister Meisterschüler Adolf Hölzels (1853–1934) war. Die an der Akademie geschlossene Freundschaft mit Oskar Schlemmer währte ein Leben lang. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg - Baumeister war bis 1918 im Kriegsdienst - beteiligte er sich mit Werken an diversen Ausstellungen (z.B. „Erster Deutscher Herbstsalon“ der Berliner Sturm-Galerie, 1913; Einzelausstellung im Stuttgarter „Neuer Kunstsalon“, 1914; „Hölzel und sein Kreis" im Kunstverein in Freiburg im Breisgau, 1916). 1928 erfolgte die Berufung als Professor an die Frankfurter Kunstgewerbeschule der Klasse für Gebrauchsgrafik, Typographie und Stoffdruck, wo Baumeister 1933 in Folge der Machtübernahme durch die National-sozialisten entlassen wurde.

Als „entartet“ verfemt und mit Ausstellungsverbot belegt, lernte Baumeister durch die Vermittlung des Wuppertaler Architekten Heinz Rasch (1902–1996) den Inhaber der Wuppertaler Lackfabrik Dr. Kurt Herberts kennen und arbeitete ab 1937 neben Oskar Schlemmer, Georg Muche, Franz Krause u.a. in dessen Unternehmen. Nach Kriegsausbruch 1939 gründete Herberts auf dem Firmengelände das "Maltechnikum", eine Versuchsanstalt zur Erforschung der technischen wie künstlerischen Möglichkeiten von Lackfarben. Es wurde zum Refugium der verfolgten Maler, die trotz des Verbotes und stetiger Überwachung parallel zur Tätigkeit in der Lackfabrik am künstlerischen Werk weiterarbeiteten. In seiner Wuppertaler Zeit war Baumeister federführend in der Arbeitsgemeinschaft der Firma Herberts tätig, die für ihn bis 1944 währte. Seine Arbeitsbereiche betrafen die Versuchsreihen der Lackmalerei, die Anfertigung von Werbegrafiken sowie die Textgestaltung und Illustrationsauswahl der von Herberts herausgegebenen Schriftenreihe, in welcher die Ergebnisse der maltechnischen Versuche publiziert wurden.

Im Gegensatz zu Schlemmer gibt es lediglich mit nur einem Hinterglasbild den Nachweis, dass Baumeister sich auch mit dieser Technik befaßte. Die Hinterglasarbeit »Badende«, welche vermutlich in Zusammenhang mit den maltechnischen Experimenten des Wuppertaler Arbeitskreises steht, tauchte 2011/12 erstmalig über eine schwäbische Kunstauktion auf; der Standort ist leider unbekannt. Die kleinformatige Glastafel im Maß 24,0 x 17,7 cm wurde mit schwarzer Konturenmalerei in feiner Linienführung bemalt, wie dieses auch von Werken Schlemmerns bekannt ist, die farbige Ausgestaltung mit einer hinterlegten Kupferfolie angereichert. Das Werk wurde von Felicitas Baumeister in die Ergänzung des Werkverzeichnisses von Willi Baumeister aufgenommen und ist wohl um 1940 entstanden, im Rückbezug auf Baumeisters Kompositionen »Badende am Wasserfall« von 1913.

Simone Bretz

Beretta, Emilio (1907 Muralto/Locarno – 1974 Genf)

Bilger-Geigenberger, Anneliese (Wasserburg 1914 – 2006 Ulm)

Anneliese Bilger-Geigenberger - Malerin, Bildhauerin und Innenarchitektin - wurde 1914 als Tochter des in München tätigen Malers Otto Geigenberger (1881–1946) geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in München begann sie Ende der 1920er-Jahre farbenfrohe Hinterglasbilder zu malen, die bald als „Geigenberger-Hinterglasmalerei“ bekannt waren. Bevorzugte Sujets waren Stillleben, Blumenbilder und Stadtansichten in zum Teil großen Bildformaten. In den 1940er-Jahren absolvierte sie in Berlin eine weitere Ausbildung zur Innenarchitektin. In zweiter Ehe mit Hermann Bilger verheiratet, lebte sie in Ulm. Trotz ihrer sieben Kinder malte und reiste Bilger-Geigenberger und stellte u.a. in München, Augsburg, Mannheim und Ulm aus. Resümierend fasst sie ihr Leben zusammen: „Ich hab immer inmitten meiner Kinderschar malen können und war überzeugt: Ich hatte es schöner als jede andere Frau!”.

Simone Bretz

 

Literatur

Ulmer FrauenWege im 20. Jahrhundert. 12 Lebensbilder. Tatkraft aus Nächstenliebe, Ökumenischer Arbeitskreis Frauen, Ulm 2005, S. 27–29.

Bobichon, Jean-Alexis (Saint-Etienne, Frankreich 1911 – 1985 Saint-Etienne)

Der in Saint-Etienne, Frankreich geborene Jean-Alexis Bobichon wuchs in einem bescheidenen Umfeld auf. Nach einer Lehre als Stuckateur und Maler besuchte er 1926 in seiner Heimatstadt die Ecole des Beaux-Arts. Erste Hinterglasarbeiten entstanden um 1936 im Alter von 25 Jahren. Der Hinterglasmalerei hatte sich Bobichon mit Zirkus- und Zigeunerdarstellungen, Bauernszenen, Stillleben sowie religiösen Motiven bis in die 1970er-Jahre verschrieben; diese sind zumeist mit einer Signatur versehen. Neben Glasmalereien und Holz-/ Leinwandbildern, die Bobichon ebenso anfertigte, wurden großformatige Wandgemälde in Hinterglastechnik geschaffen, gebildet aus einer Vielzahl kleiner Hinterglastafeln: Kreuzigungsszene bzw. Darstellung über das Leben des Hl. François Régis in der Eglise Saint-François-Régis in Saint-Etienne, wohl nach 1944, außerdem Hinterglas-Wandpaneele mit den Titeln »Die Rast der Schausteller«, »Zirkusparade« und »Harlekin« für das Hôpital de Chavanne in Saint Chamond. In den 1950er-Jahren machte sich Bobichon eine Technik zu eigen, in dem er eine Glastafel mittels einer Petroleumlampe der Marke „Pigeon“ schwärzte, anschließend das Rauchglas radierte und mit einer Vergoldung versah. Zahlreiche seiner Hinterglasbilder haben sich in Privatsammlungen, aber auch im Musée d’art moderne et contemporain in Saint-Etienne (z.B. »Die Rast«, 1948) erhalten.

Simone Bretz

 

Literatur (Auswahl)

J.A. Bobichon, peintre imagier, 1911–1985, hrsg. von CEMAC (Centre municipal d'action culturelle), Ausst.-Kat. Saint-Etienne 1986.

Les Amis du Vieux Saint-Etienne: »Salut l'artiste! Hommage au peintre-imagier Jean-Alexis Bobichon, 1911–1985«, in: Bulletin du Vieux Saint-Etienne, Saint-Etienne, 2005, No. 218, S. 1–24.

Geyssant, Jeannine: La peinture sous verre. Un art ancien toujours actuel, hrsg. von Musée des Beaux-Arts de Chartres 2011, S. 111–115.

Brockmann, Gottfried (Köln 1903 – 1983 Kiel)

Gottfried Brockmann - gesellschaftskritischer Maler und Grafiker, Kulturreferent der Stadt Kiel (1952–1955) sowie Professor der Muthesius-Werkschule in Kiel (1955–1970) - wurde geprägt durch die künstlerisch-handwerklichen Fähigkeiten seiner Familienmitglieder: der Vater, Hans Waldemar Brockmann, war akademischer Kunstmaler. Nach einer Architekturlehre (1920–1921) und der Ausbildung zum Dekorationsmaler siedelte Brockmann 1926 nach Düsseldorf über, um sein Studium für Freie und Angewandte Grafik an der dortigen Kunstakademie aufzunehmen. 1928 wurde er Meisterschüler bei Heinrich Campendonk, der ihm Ausstellungsbeteiligungen vermittelte und die Hinterglasmalerei nahebrachte.

Seinem beruflichen Ziel des Lehrberufs folgend nahm Brockmann nach Abschluss des Studiums 1932 an der Akademie einen Lehrauftrag an und wurde Vorstandsmitglied der „Rheinischen Sezession“. Aufgrund seines politischen Widerstands mit der Folge des Akademieverbots 1933 entzog sich Brockmann den NS−Anfeindungen durch Flucht nach Berlin, wo er bis 1943 „hauptsächlich kunsthandwerklich tätig“ war, wie er sich in seinen „Lebensdaten“ vom 17.9.1951 äußerte (Ausst.-Kat Ostfildern 1995, S. 197). Außerdem ging er dem Broterwerb durch Auftragsarbeiten nach. Das 1935 gemalte Hinterglasbild »Die Katze«, im LVR-LandesMuseum, Bonn hat sich aus dieser Phase seines künstlerischen Schaffens erhalten, wie auch einige weitere Hinterglasarbeiten aus den 1930er-Jahren im Stil des Magischen Realismus. Ausgestellt wurde das Glasbild »Stilleben mit Vogel und Quitten« von 1936, heute Kunsthalle zu Kiel, in der Berliner „Galerie f. und f.“ im Jahr 1936. Obwohl Brockmann seit seiner Akademiezeit durch Campendonks Hinterglasmalerei mit dieser Technik vertraut war, existieren keine Hinterglasarbeiten aus den 1920er-Jahren.

Nach dem Kriegsdienst und der amerikanischen Kriegsgefangenschaft lebte Brockmann von 1945 bis 1952 in Hof an der Saale, leitete eine Buchdruckerei und nahm seine freie künstlerische Tätigkeit wieder auf. 1952 wurde er Kulturreferent der Stadt Kiel und war im Lehramt der Muthesius-Werkschule tätig. Bis 1970 leitete Brockmann dort die Abteilung „Freie und Angewandte Malerei“. Wieder aufgenommen hatte Gottfried Brockmann die Hinterglasmalerei in den 1960er-Jahren. Von den gesamt zwölf erhaltenen bzw. bekannten Hinterglasbildern befinden sich sechs Werke in öffentlichem Besitz in Bonn, Düsseldorf und Kiel. Alle diese Arbeiten sind mit einem „B“ monogrammiert.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Kruse, Joachim: Gottfried Brockmann, Schleswig 1970, S. 40, 59 Nr. 44, s/w-Abb. Nr. 44

Gottfried Brockmann. Bild und Überzeitlichkeit, hrsg. von Knut Nievers und Gernot Thiele, Ausst.-Kat. Stadtgalerie Kiel, Ostfildern 1995.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Buchheim, Lothar-Günther (Weimar 1918 – 2007 Starnberg)

Lothar-Günther Buchheim war als Maler, Fotograf, Verleger, Kunstbuch- und Romanautor, Filmemacher und Sammler vielseitig tätig. Einer künstlerischen Familie entstammend, auch seine Mutter Charlotte Buchheim (1891–1964) war Malerin, bewies er schon früh Talent und Interesse an der Kunst. Das 1937 mit Hilfe eines Staatsstipendiums an der Dresdener Kunstakademie aufgenommene Studium setzte Buchheim zwei Jahre später an der Kunstakademie in München fort. 1940 meldete er sich zur Marine und wurde als Kriegsberichterstatter eingesetzt. Neben Zeichnungen, Pastellen und Aquarellen fertigte Buchheim auch zahlreiche Fotografien über das Kriegsgeschehen und schrieb Artikel. Nach dem Krieg von den Amerikanern zunächst als Polizeichef in Feldafing eingesetzt, wurde er wenige Monate später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Während der Haft kam Buchheim mit der Hinterglasmalerei in Berührung, wie Briefe vom Dezember 1945 belegen. 1946 wieder zurück in Feldafing, gründete Buchheim die „Kunsthandwerklichen Werkstätten“, eine kleine Manufaktur, in der er Hinterglasbilder und Spielzeugfiguren als Laubsägearbeiten produzierte. Rückblickend fasste Buchheim zusammen: „Das

Wichtigste ist Phantasie und Experimentierlust. Das Material zählt gar nicht. Deshalb schwärme ich so für Hinterglasmalerei und erhebe sie über all die Maltechniken, die einen großen Aufwand verlangen. Quasi aus Nichts etwas machen und immer wieder Neues erfinden – das ist doch der Witz.“ (Lothar-Günther Buchheim, 1980, S. 18). Vom Zirkusleben fasziniert schuf Buchheim zwischen 1946 bis 1949 eine ganze Reihe von Hinterglasbildern mit typischen Motiven wie Clowns, Akrobaten und Kunstreitern (»Exzellente und einmalige Dressuren«, 1945/46, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried) oder dem „Zirkuswunderschwein Bimbina“. Weitere Bildthemen sind zum Beispiel Hähne (»Hahn«, um 1945, Buchheim Museum, Bernried), Unterseelandschaften in Mehrschichtentechnik wie »Fische« (Buchheim Museum, Bernried) sowie Sternsinger und andere Weihnachtsmotive. Buchheims Anliegen war es, zum einen in Notzeiten der Nachkriegszeit durch Improvisation und Erfindungsreichtum zu bestehen und zum anderen mit dem Verkauf bunt-fröhlicher Handwerksware seine von Mangel geprägte Umwelt farbenfroh zu gestalten. Die Materialien Glas und Holz waren in den Trümmerhalden leicht zu beschaffen, die Farben entstammten seiner Zeit als Kunststudent. Das 1980 verfasste „Hinterglas-Büchlein“ zeugt 35 Jahre nach seinen Anfängen von Buchheims großer Leidenschaft für die Hinterglasmalerei, mit genauen Beschreibungen seiner Technik mittels Malfarben, Bronzen, Metallfolien, Gold- und Silberpapier sowie Stoffapplikationen.

1946 wurden Zeichnungen, Linolschnitte und die Erzeugnisse seiner kunsthandwerklichen Werkstatt in der Ausstellung „Der Maler Lothar-Günther Buchheim“ in der Schwabinger Galerie „Die Kleine“ (20.11.–31.12.1946) gezeigt. Zeitgleich stellte der Hinterglasmaler Robert Hetz in seinem Atelier in München in der Ausstellung „Neue Hinterglasmalerei. Weihnachts-Ausstellung“ (18.11.–22.12.1946) aus. Gemeinsam mit Künstlerkollegen betrieb Hetz bis 1949 eine Werkstätte mit groß angelegter Produktion von Glasbildern. Die für den lokalen Markt wie für den Export vorgesehenen Waren aus bayerischer Produktion gingen nach Amerika, sogar bis nach Südamerika. Buchheim versah seine weihnachtlichen Hinterglasbilder mit englischer Beschriftung und adressierte sie damit an Kunden unter den amerikanischen Besatzern ein. Sein Studienkollege zu Münchner Zeit unter Hermann Kaspar, Ernst Graupner, begann ebenfalls 1948 mit dem Malen von Hinterglasbildern als Broterwerb und setzte dieses Schaffen in künstlerischer Form bis Ende der 1970er-Jahre fort.

Im Buchheim Museum der Phantasie in Bernried am Starnberger See haben sich über 100 Hinterglasbilder aus Buchheims Produktion der „Kunsthandwerklichen Werkstätten“ erhalten. Als Sammler trug er etwa 90 volkskundliche Gnaden- und Andachtsbilder des 19. Jahrhunderts aus Bayern, Böhmen, Schlesien und Rumänien in dieser Technik zusammen. Daneben zählen auch einige außereuropäische und naive Hinterglasmalereien zur Sammlung.

Simone Bretz

 

Literatur (Auswahl)

Buchheim, Lothar-Günther: Hinterglas-Büchlein, Brunnen-Reihe 159, Christophorus-Verlag, Freiburg 1980.

Buchheims bunte Zirkuswelt. Hinterglasbilder, Hampelmänner, Manegenzauber…, hrsg. vom Schloßmuseum des Marktes Murnau, Ausst.-Kat. Schloßmuseum Murnau, Murnau 1997.

Das Blaue Land hinter Glas, hrsg. von MuSeenLandschaft Expressionismus, Ausst.-Kat. Ausstellungsreihe „Das Blaue Land hinter Glas“, o.A. 2017.

Buchholz, Erich (Bromberg 1891 – 1972 Berlin)

Erich Buchholz war Maler, Bildhauer, Möbeldesigner, Bühnenbilder, Typograf, Objekt- und Raumgestalter und schuf seit 1918 ungegenständliche Werke; er gehörte zum Kreis der Konstruktivisten. In seinen Arbeiten spielten Kreismotive und eine auf Grundfarben reduzierte Farbpalette eine große Rolle.

1921 stellte Buchholz in der Berliner Galerie „Der Sturm“ sein Hinterglasbild »Steigen im Kreis« aus (Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt). Zudem trieb ihn ein besonderes Interesse an Raum und der Materialvielfalt an. So sind neben den etwa 800 Papierarbeiten, 230 Gemälden, etwa 100 Gips- und Holzreliefs, 23 Hinterglasbildern, Architekturentwürfen, Bronzeskulpturen und Glasobjekten auch sein Wohn-Atelier am Berliner Herkulesufer bemerkenswert. Mit dem 1922 kubisch gestalteten Atelier schuf er nicht nur die erste Raumgestaltung der Moderne, sondern auch einen Treffpunkt der Berliner Avantgarde. Nachdem Buchholz zwischen 1933 und 1945 mit Mal- und Ausstellungsverbot belegt wurde, konnte er nicht mehr an seinen früheren Erfolg anknüpfen. Mehrere seiner frühen Hinterglasbilder kopierte Erich Buchholz in den 1970er-Jahren im Siebdruckverfahren auf Plexiglas.

Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Erich Buchholz, 1891-1972. Catalogue raisonné, hrsg. von Michael Ilk in Zusammenarbeit mit Eila Schrader-Buchholz und Albert Schrader, Ausst.-Kat. Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt 2013.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Burger-Mühlfeld, Fritz (Augsburg 1882 – 1969 Hannover)

Buthaud, René (1886–1986)

C

Campendonk, Heinrich (Krefeld 1889 – 1957 Amsterdam)

Heinrich Campendonk, als Künstler in den Bereichen Gemälde, Zeichnung, Druckgrafik, Wand- und Glasmalerei sowie als Professor in Essen (1923/24), Düsseldorf (1926–1934) und Amsterdam (1935–1955) tätig, schuf als Hinterglasmaler ein umfangreiches Werk. Er experimentierte mit Elementen verschiedener Kunststile wie dem Kubismus, Futurismus und Orphismus. Campendonk wird dem deutschen Expressionismus zugerechnet.

Heinrich Campendonk studierte von 1905 bis 1908 an der fortschrittlichen „Handwerker- und Kunstgewerbeschule zu Crefeld“ unter Johan Thorn Prikker (1868–1932) , der zu seinem Mentor wurde. Durch die Vermittlung von August Macke reiste er 1911 nach Oberbayern, um sich der Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“ als jüngstes Mitglied anzuschließen. Der Austausch mit Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc und auch Paul Klee, die zu dieser Zeit die Hinterglasmalerei praktizierten, regten den jungen Künstler zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den neuen gestalterischen Ausdrucksmöglichkeiten der Malerei wie auch der Hinterglasmalerei an. In seiner künstlerischen Entwicklung legte Campendonk in diesen Jahren den Grundstein für sein Werk.

In seinen Hinterglasarbeiten ging es Campendonk zu Anfang mit der leuchtenden Farbigkeit als Stilmittel des „Blauen Reiters“ um ausgewogene Kompositionen. Das früheste überlieferte Hinterglasbild stammt aus dem Jahr 1911/12 und wurde in der „Ersten Ausstellung: Blauer Reiter“ in der Modernen Galerie Thannhauser in München gezeigt. 1912, 1913 und 1916 folgten Ausstellungen der Berliner Galerie "Der Sturm" von Herwarth Walden, wo sich Campendonk auch mit Hinterglasmalereien präsentierte. So schreibt Campendonk an Walden: „Nächstens will ich wieder Glasbilder machen und Ihnen schicken. Ist es vielleicht ein Plan, welcher Ihnen gefällt, einmal alle Sturm-Künstler aufzufordern, für eine Glasbilderausstellung Glasbilder zu machen?“ (Brief 182 vom 11. November 1917). Das »Selbstbildnis in Oberbayern«, 1917, Clemens Sels Museum Neuss, versehen mit dem Monogramm „C.“ und der Datierung „17“, zählt zu den wenigen signierten Hinterglasarbeiten Campendonks; gesamt sind lediglich sieben monogrammierte/ datierte Bilder bekannt.

Nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine Werkgruppe mit dunklen Hintergründen, die ein geradezu mystisches Aufleuchten kräftiger Farben hervorbrachte. Als Beispiel ist ein Hinterglasbild aus Privatbesitz, »Frau am Spiegel«, geschaffen um 1922, anzuführen. In den 1920er-Jahren entdeckte Campendonk zunehmend die Möglichkeiten, die ihm ein mehrschichtiger Farbauftrag eröffnete. Durch die Hinterglasradierung und das erneute Übermalen dieser Bereiche mit weiteren Farben erlangte er einerseits eine Strukturierung der Flächen, andererseits mehr optische Tiefe wie bei »Zwei schwarze Asse« von 1926 (monogrammiert/ datiert mit „C. 26“) und beim »Stillleben mit Fischglas, Spielkarten und Vase« von 1927, beide aus Privatsammlungen.

1922 war Campendonk mit vier Hinterglasbildern in Zinglers Kunstkabinett in Frankfurt vertreten. Es folgte von 1923 bis 1929 eine rege Ausstellungstätigkeit an Werken dieser Technik in Jena, Krefeld, Düsseldorf, Berlin, Leipzig, Hannover und Wiesbaden. Ab 1926 hatte er eine Professur im Bereich Glasmalerei und Wandmalerei an der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf inne. Besonders durch die Ausführung zahlreicher Glasfenster für Kirchen und öffentliche Gebäude errang Campendonk große Anerkennung. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor er 1934 seine Anstellung an der Akademie. Das Jahr 1935 bedeutete einen Wendepunkt: Campendonk verließ Deutschland, um an der Reichsakademie für bildende Künste in Amsterdam weiterzuwirken. Im gleichen Jahr heiratete er die Künstlerin Edith van Leckwyck. 1937 wurden im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ 87 Werke Campendonks beschlagnahmt, darunter zahlreiche Hinterglasbilder. Nur vereinzelt befasste sich Campendonk Ende der 1930er- und den 1940er-Jahren mit der Hinterglasmalerei. Er beteiligte sich lediglich 1937 an der Ausgestaltung des Passagierschiffes „SS Nieuw Amsterdam“ mit einer großen Hinterglas-Wandpaneele »Fischerhafen«, welches vermutlich zerstört wurde. Ein weiteres Werk dieser Zeit ist das Hinterglasbild »Liegende Kuh mit Sonnenblume« von 1940 (monogrammiert/ datiert mit „C. 40“) aus Privatbesitz.

Erst nach Kriegsende wandte sich Campendonk wieder intensiv der Malerei zu und es entstanden zahlreiche Hinterglasbilder wie »Bäume«, um 1946 und »Christuskopf mit Dornenkrone«, um/nach 1946, beide im Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg. Die klare grafische Konturierung der Formen und deren feine Ausarbeitung bilden die wesentlichen Kennzeichen seines Spätwerks. »Garben und Kühe«, um 1946, ist stellenweise radiert und mit zahlreichen kleinen Farbpünktchen in pointilistischer Technik ausgearbeitet. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1957 wurde Campendonk mit dem Quellinus-Preis der Stadt Amsterdam geehrt und zum Ritter des Ordens "De Nederlandse Leeuw" ernannt.

76 Hinterglaswerke aus unterschiedlichen Schaffensperioden der 1910er- bis 1950er-Jahre wurden 2017 in einem eigenen Werkverzeichnis erfasst; von weit mehr Arbeiten ist jedoch auszugehen. In seinen Glasbildern erschuf Campendonk eine ideale, bisweilen phantastische Welt, in der Mensch, Tier und Natur zu einem harmonischen Einklang verschmelzen. Die technische Meisterhaftigkeit und der Variantenreichtum seiner Hinterglasbilder ist exzeptionell für ein Hinterglasoeuvre der Klassischen Moderne. Neun Hinterglasbilder wurden fünf Jahre nach seinem Tod auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum Mainz über die „Hinterglas-Malerei im XX. Jahrhundert“ präsentiert. Ein Teil davon befindet sich in öffentlichem Besitz wie auch in Privatsammlungen.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-Museum Mainz, Mainz 1962.

Firmenich, Andrea: Heinrich Campendonk 1889–1957. Leben und expressionistisches Werk. Mit einem Werkkatalog des malerischen Œuvres, Diss. Bonn 1989, Recklinghausen 1989.

Geiger, Gisela; Bretz, Simone für das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk: Heinrich Campendonk. Die Hinterglasbilder, Werkverzeichnis, Köln 2017.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Cladders, Johannes (1881–1975)

Condé, Géo (1891–1980)

Cournault, Etienne (1891–1948)

D

Davringhausen, Heinrich Maria (1894–1970)

Dexel, Walter (München 1890 – 1973 Braunschweig)

Walter Dexel gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten des Konstruktivismus der 1920er-Jahre. Als Maler war Dexel Autodidakt, in den Jahren 1910–1914 studierte er in München Kunstgeschichte bei Heinrich Wölfflin und promovierte 1916 bei Botho Gräf. Parallel hierzu nahm er privaten Zeichenunterricht. Dexel berufliches Leben ist außerdem durch seine Tätigkeit als Designer, Werbegrafiker, Innenarchitekt, Bühnenbildner, Verkehrsplaner, Kunsthistoriker und Museumsleiter gekennzeichnet.

Die ersten künstlerischen Werke entstanden 1912/13 auf einer Studienreise nach Italien. Bereits 1914 hatte der Künstler eine erste Einzelausstellung mit Gemälden in kubistischer Manier in München. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Dexel 1918 Ausstellungsleiter in Jena, wo er Ausstellungen mit Heinrich Campendonk, später mit Bauhaus-Künstlern wie Laszlo Moholy-Nagy organisierte. Anfang der zwanziger Jahre vollzog sich in seinem Werk der Übergang zum Konstruktivismus. Glas als Medium durchzog zeitlebens Dexels Schaffen, welches sich in zahlreichen Hinterglasbildern mit nachweislich 60 Arbeiten ausdrückt: früheste bereits um 1913, letzte um 1929. In den 1920er-Jahren stellte Dexel mehrfach in Herwarth Waldens Berliner Galerie „Der Sturm“ aus. Sechs Hinterglasbilder, gemalt zwischen 1918 und 1925, wurden auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt. Von 1928 bis 1935 war Dexel Dozent für Gebrauchsgrafik an der Magdeburger Kunstgewerbeschule - ein Amt, aus dem er 1935 von den Nationalsozialisten entlassen wurde. Im selben Jahr gab er die Malerei auf.

Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-Museum Mainz, Mainz 1962.

Wöbkemeier, Ruth: Walter Dexel (1890–1973), Werkverzeichnis Gemälde, Hinterglasbilder, Gouachen, Aquarelle, Collagen, Ölstudien, Entwürfe zu Bühnenbildern, Heidelberg 1995.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Dirx, Willi (Recklinghausen 1917 – 2002 Wuppertal)

Von 1937 bis 1939 studierte Willi Dirx an der Kunstakademie Düsseldorf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu seinem Tod hielt er sich in Wuppertal auf und wirkte dort vorwiegend als Holzschneider. Doch auch Linolschnitte, Hinterglasmalereien, Plastiken und Reliefs sowie Gestaltungen von Kirchenfenstern und Kreuzwegen sind Bestandteile seines umfangreichen Werks.

Willi Dirx gilt als einer der letzten großen Holzschneider und befasste sich in seiner Kunst sehr häufig mit christlichen Themen. Die Wirkkraft des reflektierenden Glases unterstreicht die Aussage der religiösen Motive von Dirx’ Hinterglasbildern (z.B. »Pieta«, vor 1953).

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Drian, Etienne Adrien (1885–1961)

Duchamp, Marcel (1887–1968)

Dupas, Jean (1882–1964)

E

Ernst, Max (Brühl 1891 – 1976 Paris)

Max Ernst stammte aus dem Rheinland und gehörte seit 1911 zum Freundeskreis der „Rheinischen Expressionisten“ um August Macke. Hier schloss er möglicherweise Bekanntschaft mit der Technik der Hinterglasmalerei. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Ernst mit Hans Arp die Dada-Gruppe. 1922 zog er nach Paris und schloss sich dem Kreis der Surrealisten um André Breton an. Aus der Internierung in Frankreich floh Ernst mit der Kunstsammlerin Peggy Guggenheim 1941 über Spanien und Portugal in die USA.

1925 experimentierte Ernst in Paris mit unterschiedlichen künstlerischen Techniken wie frottage und grattage. Das Motiv von »La mer« gibt es in mehreren Techniken ausgeführt. Typisch sind der schichtweise Aufbau und die Wellenbewegung als in die Malschicht eingekratztes Band, wie sich an einem Hinterglasbild von 1925 zeigt.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

F

Faravel, Gaston (1901–1947)

Fischer, Cuno (1914–1973)

G

Gege, Jakob (1906–1972)

Generalić, Ivan (1914–1992)

Graupner, Ernst (1917–1989)

Grieshaber, HAP (1908–1981)

H

Hanisch, Reinhold (1884–1937)

Henrichs, Paul (Euskirchen 1919 – 2011 Stuttgart)

Paul Henrichs widmete sich von 1947 bis kurz vor seinem Tod 2011 fast ausschließlich der Hinterglasmalerei. Das Malerhandwerk erlernte er von 1933 bis 1937, absolvierte bis 1945 den Militärdienst und legte 1950 seine Meisterprüfung ab. Für die Stuttgarter Malerfirma von Albrecht Kämmerer leitete Henrichs von 1947 bis 1950 die „Abteilung für Hinterglasmalerei“ in Lemberg/ Gnadental bei Schwäbisch Hall. Nach dem Tod Kämmerers war Henrichs in der Zeit von 1950 bis 1953 bei der Firma Kämmerer in Stuttgart in leitender Funktion auf Baustellen aller Größenordnungen beschäftigt und hatte gleichzeitig die Beraterfunktion in künstlerischen und gestalterischen Aufgaben inne.

Die Firma Kämmerer wurde im 19. Jahrhundert gegründet und als Familienbetrieb über mehrere Generationen bis Mitte des 20. Jahrhunderts weitergeführt. Neben anderen Malern absolvierte Willi Baumeister bei seinem Onkel, dem Hofdekorationsmaler Gustav Kämmerer, seine Lehre (1905–1907). Nachfolgend leitete Albrecht Kämmerer die Malerfirma; er war vor und auch nach dem Zweiten Weltkrieg ein bedeutender Kunstsammler und Mäzen. Unter ihm wurden bis 1950 von Henrichs und seinen Kollegen Hinterglasbilder in der bäuerlich-religiösen Tradition als Exportware geschaffen - vergleichbar der zeitgleichen Hinterglas-Produktion von Robert Hetz. Neben volkstümlich anmutenden Arbeiten entstanden auch solche im modernen Stil. In den Werkstätten Kämmerers wurden einige, von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamierte Künstlerpersönlichkeiten wie Oskar Schlemmer und Baumeister ein Tätigkeitsfeld in freischaffender Form geboten. Der Maler Sigmund Piontek (1921–2017), Schüler von Baumeister, gehörte ebenso zu den Hinterglasmalern, woraus sich eine enge Freundschaft mit Henrichs entwickelte. Die „Abteilung für Hinterglasmalerei“ von Albrecht Kämmerer ist als eine Arbeitsgemeinschaft zu betrachten, deren Geist von Schlemmer und Baumeister geprägt wurde und in den Hinterglasbildern auch anderer Künstler, die bei Kämmerer beschäftigt waren, weiterlebte.

Die Beschäftigung mit der Hinterglasmalerei bei Kämmerer war für Paul Henrichs nachfolgendes künstlerisches Schaffen wegbestimmend. Im Jahr 1954 wurde er Lehrmeister an der Gewerblichen Fachschule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart, dessen Tätigkeit bis 1978 währte. Nebenher setzte er sein künstlerisches Schaffen im Bereich Hinterglaskunst fort und präsentierte seine Werke in Einzel- und Gruppenausstellungen: Reuchlinhaus in Pforzheim, 1964; Galerie Senatore in Stuttgart, 1965; Kunsthaus Schaller in Stuttgart 1976, 1987, 1988, 1990, 1992; Ausstellungen in  Kempten 1974, Memmingen 1971 und Wangen 1979;  Galerie Haas in Korntal, 1978; Galerie im Augustinum in Stuttgart, 1996; Westallgäuer Heimatmuseum in Weiler 1996; Parishaus in Memmingen 2007; Galerie Königsblau in Stuttgart, 2000 zum 80. Geburtstag; Galerie Andreas Henn in Stuttgart 2009 zum 90. Geburtstag. Für die Mensa Morgenstelle der Universität Tübingen schuf Henrichs im Jahr 1973 eine Wanddekoration, bestehend aus dreizehn versetzt angeordneten Hinterglas-Paneelen, die er auf Plexiglas malte.

Die weit über 400 erhaltenen Arbeiten, hauptsächlich in Privatbesitz bzw. im Kunstmuseum Stuttgart, zeigen in einer Schaffenszeit von über sechs Jahrzehnten klar zu kennzeichnende Entwicklungslinien auf. Die Werke Henrichs nehmen keinerlei Bezug auf die volkskundliche Hinterglasmalerei, sondern leben von den Nuancen und Modellierungen mit sensibel gesetzten Farbabstufungen. Nach den zunächst in dunklen Tönen ausgeführten Glasbildern der 1950er- bis 1980er-Jahre wurden die Farbklänge heller und auch farbiger. Erste Werke mit der Darstellung spitzer Türme und schwarzer Linien lassen an Arbeiten Paul Klees denken. In den 1970er-/ 1980er-Jahren folgten einfache Erscheinungsformen des Alltags wie Landschaften mit Hügeln, Bäumen, Mond, Sonne, Fachwerkhäusern, Kirchen, Leitern, Rädern, Kutschen und Fahrrädern mit Bezügen zur Eifel und der Schwäbischen Alb. Goldene oder silberne Metallfolien hatte Henrichs schon früh eingesetzt, welche durch die Farblasuren hindurchschimmern. Maltechnisch raffiniert erzeugte Henrichs in den 1990er-Jahren mithilfe von feinem Sand, aufgeklebt auf das Glas, mit nachfolgend aufgebrachten Ölfarben und hinterlegten Blattmetallen, eine außerordentliche Stofflichkeit, Farbtiefe und Strahlkraft. Derartige Hinterglasbilder sind auf symbolhafte Weise reduziert und abstrakt. Die meisten Werke sind betitelt, mit „PH“ signiert, jedoch nur wenige datiert.

Zum 100. Geburtstag von Paul Henrichs findet vom 5.10. bis 2.11.2019 in der Sammlung Domnick auf der Oberensinger Höhe in Nürtingen eine Hinterglas-Retrospektive statt.

Simone Bretz

Hetz, Robert (1920–1987)

Hildebrandt, Lily (Fürth 1887 – 1974 Stuttgart)

Lily Hildebrandt war Malerin, Grafikerin, Kunsthandwerkerin, Glasmalerin und Fotografin. Nachdem sie Ida Kerkovius kennengelernt hatte, wurde sie Schülerin von Adolf Hölzel (1853–1934) in Dachau. 1908 heiratete sie den Kunsthistoriker Hans Hildebrandt (1878–1957), zog 1913 nach Stuttgart und wurde an der dortigen Akademie Meisterschülerin bei Hölzel. Hildebrandt pflegte Freundschaften mit den Malerkollegen Willi Baumeister, Hanna Höch, Ida Kerkovius und Oskar Schlemmer sowie dem Architekten Walter Gropius. Ihr Stuttgarter Haus wurde nach 1919 zum internationalen Treffpunkt der Avantgarde. 1933 erhielt Hildebrandt Berufsverbot. Auch nach 1945 wurde das Haus Hildebrandt wieder zum wichtigen internationalen Treffpunkt für kulturell Interessierte.

Ab 1917 entstanden die ersten Hinterglasbilder Hildebrandts, die letzten um 1943/44. Annähernd 45 Werke befinden sich in Privatbesitz, von denen etwa die Hälfte mit „LH“ monogrammiert ist. Aufgrund der nicht vorhandenen Datierung auf den Werken ist eine zeitliche Zuordnung problematisch. Rückblickend äußerte sich Hildebrandt 1930 über ihr Hinterglas-Schaffen: [Es gehen die] ersten Versuche in Hinterglasmalereien auf starke Eindrücke zurück, die mir bayerische Bauernarbeiten machten. Der emailleartige Glanz der Farben, das Immaterielle und Geheimnisvolle, bis zum Mystischen reichende hat es mir angetan. So versuchte ich denn zu verdeutlichen, was vor meinem inneren Auge Gestalt gewann, ohne zu ahnen, daß gleichzeitig andere auch die Hinterglasmalerei zu neuem Leben weckten. Von jeher hatte ich eine mir selbst nicht weitere erklärliche, gefühlsmäßige Beziehung und Liebe zu dem edlen Stoff des Glases, das meine Einbildungskraft beschwingte. Vor allem zieht mich die Farbe an, die gerade bei der Hinterglasmalerei sinnhaften Reiz und seelische Ausdruckswerte eint. Ich suche ihr auch darum ihre Geheimnisse abzulauschen, verwende auch farbige Gläser, deren Material-Schönheit ich manches von meinem Besten, so den „Flötenden Hirten“, danke, und versuche mein Gestaltungsvermögen durch die verschiedene Techniken, Spritzverfahren, streckenweises Auflegen von Stanniolpapier usw., zu steigern. […] Alle meine Hinterglasbilder gehen auf innere Erlebnisse zurück, die meist von starken, die Phantasie beglückenden und bedrückenden Eindrücken der Umwelt ausgelöst und in eine Traumwelt umgesetzt werden und in der es vielleicht manchmal etwas kunterbunt zugeht. Ich selbst bin nie bewußt Herrin darüber, ob ein Bild der hellen oder der dunklen Seite des Lebens angehört: Auch ich trage, wie wohl die meisten Menschen, zwei Naturen in mir, und meine Arbeiten sind Selbstbefreiungen von der Macht unbewußten Gefühls, die bald diese, bald jene über mich übt.“ (Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, Ausst.-Kat. Gutenberg-Museum Mainz 1962). Vier Hinterglasbilder Hildebrandts der 1930er-Jahre wurden auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.

Simone Bretz

 

Literatur (Auswahl)

Keller, Dieter: Hinterglasbilder, Lorch 1948.

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Der Cicerone, Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers, Heft 3, Rundschau, S. 94–100.

Lily Hildebrandt, 1887–1974, Gemälde - Hinterglasbilder - Zeichnungen - Photographien, hrsg. vom Verein Das Verborgene Museum, Berlin, bearb. von Britta Kaiser-Schuster, Ausst.-Kat. Das Verborgene Museum, Berlin 1997.

Arnold, Florian: „Die missverstandene Kunst. Hinterglasmalerei im 20. Jahrhundert“, in: Augsburger Volkskundliche Nachrichten, Universität Augsburg, Fach Volkskunde, 9. Jahrgang, Heft 2, Nr. 18, Dezember 2003, S. 55–73.

Horn, Josef (Gevelsberg 1902 – 1951 Barmen)

Josef Horn entschied sich 1921 für ein Studium an der Kunstgewerbeschule in Bremen im Fachbereich Innenarchitektur. Zeitgleich freundete er sich mit dem Maler Otto Coester an. Reisen führten ihn in den Folgejahren nach Italien, Norwegen und Frankreich mit längeren Stationen im Tessin, in München, Barmen und Wuppertal. Horn arbeitete auch als Dekorationsmaler; 1937 galten seine Werke als entartet und wurden beschlagnahmt.

Neben Marine- und Landschaftsbildern widmete sich Josef Horn Stillleben, wie seine Hinterglasbilder »Blumenstillleben« und »Farbtuben«, beide um 1951, bezeugen.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Horst-Schulze, Paul (Naunhof 1876 – 1937 Leipzig)

Paul Horst-Schulze, Maler, Grafiker und Illustrator, studierte von 1891 bis 1894 an der Königlichen Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Leipzig, wechselte 1894 an die Akademie der bildenden Künste in München und 1899 an die Kunstakademie in Düsseldorf. Zurück in Leipzig galt er „als einer der talentiertesten jungen Leipziger Künstler am Anfang des 20. Jahrhunderts“. Eine seit 1904 an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig ausgeübte Lehrtätigkeit wurde 1911 in eine Professur umgewandelt. 1907 war er Gründungsmitglied der sächsischen Sparte des Werkbunds.

Horst-Schulze war ein vielseitiger Künstler: Seit 1901 führte er Aufträge für Wandbilder in profanen und kirchlichen Gebäuden aus, mit Jugendstilillustrationen schmückte er u.a. Kinder-, Jugend- und Märchenbücher, schuf Lithographien und Bühnendekorationen, fertigte Zeichnungen, gestaltete Ex libris, Notentitel, Kriegspostkarten, entwarf Zimmereinrichtungen, Stickereien, Möbelstoffe, Intarsien, Teppiche, Porzellan, Glasfenster und -bilder. Als Maler hat er Landschaften, Porträts und Blumenstilleben festgehalten. Beschäftigt hat er sich überdies mit der Technik der Hinterglasmalerei, auf die er in Murnau aufmerksam geworden sein dürfte, als er dort 1906 „seine erste Murnauer Landschaft“ in Öl auf Leinwand malte. „Von jeher der handwerklichen Kunst des Volkes zugetan“ machte er in Murnau, das ihm ab 1916 Wahlheimat wurde, die Bekanntschaft von Heinrich Rambold, dem damals letzten Murnauer Hinterglasmaler. Anregung dürfte ihm darüber hinaus 1922 die Ausstellung „Murnau in der Kunst“ geboten haben, in der u.a. ca. 900 Hinterglasbilder aus der Sammlung des Braumeisters Johann Krötz (bzw. seines Schwiegersohnes Franz Kapfer) zu sehen waren. Nur wenige Jahre später, im September 1925, ist Horst-Schulze in einer vom Leipziger Kunstverein gezeigten Ausstellung mit alten, aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden und neuen Hinterglasbildern vertreten. Er zählte neben Franz Marc,  Heinrich Campendonk, Reinhold Nägele u.a. zu den nahezu zwanzig „namhaften neueren Künstlern“, die sich der Neubelebung der Hinterglasmalerei widmeten. Nicht bekannt ist die Anzahl seiner präsentierten Hinterglasbilder. Die Presse lobte, allerdings ohne das Motiv zu bezeichnen, sein „in gold- und silberblitzenden Reflexen (in einem farbenausgesparten Spiegel)“ gefertigtes Bild als „köstliches Kabinettstück“ (Karlsruher Tagblatt vom 22.10.1925).

Welche Bilder er im Sommer 1933 in Murnau zu einer Ausstellung mit historischen, besonders aus der Sammlung Krötz/Kapfer stammenden und zeitgenössischen Hinterglasbildern (von Heinrich Rambold, Gabriele Münter u.a.) beisteuerte, weiß man nicht. Ob später, beispielsweise in den Gedächtnisausstellungen 1938 und 1972 in Murnau, noch Hinterglasbilder von Horst-Schulze zu sehen waren, ist nicht überliefert. Bislang sind in Privatbesitz nur zwei Hinterglasbilder mit religiösen Motiven bekannt geworden: Ein Hl. Hubertus, gefertigt in Eglomisé-Technik, mit „H=S“ signiert, nicht datiert und ein Hl. Martin in Konturenmalerei mit pastosem Farbauftrag, weder signiert noch datiert. Obwohl die Beschäftigung mit der Hinterglasmalerei vermutlich eine untergeordnete Rolle in Horst-Schulzes Schaffen spielte, belegen die wenigen Hinweise sein Experimentieren mit verschiedenen Techniken auf dem Malgrund Glas.

Irene Dütsch

 

Literatur

Schulz, Hans: Paul Horst-Schulze. Leben und Werk, Unveröffentlichtes maschinenschriftliches Manuskript (20 Seiten), o.J. (ca. 1937/38), Privatbesitz.

Höhn, Andreas: „Werkbundgründer und Expressionist: der Maler Paul Horst-Schulze“, in: Leipziger Blätter, Hrsg. Kulturstiftung Leipzig, 2006, Heft 49, S. 70-71.

Dütsch, Irene: „Tausend Hinterglasbilder. Der Braumeister Johann Krötz und sein Beitrag zur Volkskunde“, in: Schönere Heimat, Jg. 97 (2008), S. 228–234.

Vergessene Avantgarde. Künstlerhaus und Nikischplatz. Sonderausgabe der Leipziger Blätter, Hrsg. Kulturstiftung Leipzig, 2016.

Hoste, Huib (1881–1957)

I

Ingrand, Max (1908–1969)

J

Jespers, Floris (Antwerpen, Belgien 1889 – 1965 Antwerpen)

Nach seinem Abschluss an der Akademie der Künste in Antwerpen lernte Floris Jespers 1914 den Dichter Paul van Ostayen kennen, der ihm die Hinterglaswerke Heinrich Campendonks näherbrachte. Von diesen beeinflusst, wandte sich Jespers dem Expressionismus zu und begann um 1924 mit seinem umfangreichen Schaffen in der Hinterglaskunst. Harlekine, Tierchimären, exotische Blumen und Pflanzen gehören zu den typischen Motiven seiner Hinterglasmalereien, von denen mehr als 140 Werke (bis um 1930), bekannt sind. »Arlekin vindicatif«, um 1925, mit einem Glasmaß von 90 x 73 cm gehört zu den technisch raffinierten Hinterglasbildern, u.a. mit Metalleffektpigmenten in Silber und Gold gestaltet. Edith van Leckwyck war 1923 seine Schülerin und lernte von ihm die Hinterglasmalerei kennen.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

K

Kadow, Gerhard (1909–1981)

Kandinsky, Nina (Kaiserreich Russland 1899 – 1980 Gstaad)

Über Nina Kandinsky (NinaKandinskaya), der zweiten Ehefrau von Wassily Kandinsky (Heirat 1917), als Hinterglasmalerin ist nur wenig bekannt. Im Staatlichen Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin in Moskau haben sich jedoch zwei kleinformatige Glasbilder erhalten. Von Wassily Kandinsky angefertigte Zeichnungen setzte Nina in Hinterglastechnik um, wie »Ein Spaziergang« von 1917 (siehe Abb.) und »Schlafende Frau« von 1918. Ein weiteres Hinterglasbild mit einer dargestellten Kutschfahrt wird im Nationalen Kunstmuseum von Aserbaidschan in Baku aufbewahrt.

Als Alleinerbin von Wassily Kandinskys Vermächtnis kümmerte sich Nina um seinen Nachlass und organisierte einen großen Teil der späteren Ausstellungen. Sie sorgte testamentarisch dafür, dass der Hauptnachlass in der Société Kandinsky im Musée National d’Art Moderne in Paris verwaltet wird, nachdem sie dem Museum zuvor dreißig Kunstwerke gestiftet hatte.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)
Kandinsky, Nina: Kandinsky und ich, unter Mitarbeit von Werner Krüger, München 1976.

Barnett, Vivian Endicott; Friedel, Helmut: Das bunte Leben. Wassily Kandinsky im Lenbachhaus, Köln 1995.

Wassily Kandinskys „Bagatelles“. Painting on Glass, Watercolours and Drawings. 1915–1920, Ausst.-Kat. Staatliches Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau 2017, S. 33, 36–39.

Kandinsky, Wassily (Moskau, Russland 1866 – 1944 Neuilly-sur-Seine, Frankreich)

Wassily Kandinsky, Jurist, Maler, Kunsttheoretiker, Mitbegründer der Künstlergruppe „Blauer Reiter“ und Lehrer, u.a. am Bauhaus, schuf als Hinterglasmaler ein umfangreiches Oeuvre von über 75 Hinterglasbildern. Gabriele Münter inspirierte Kandinsky 1909 zur Bemalung von Glas, nachdem sie die Technik von Heinrich Rambold in Murnau am Staffelsee vermittelt bekommen hat. Im „Russenhaus“ in Murnau verbrachten Kandinsky und Münter ihre Malsommer bis zum Jahr 1914. Im Kreis der Künstlerkollegen des „Blauen Reiters“ befassten sich mit der Hinterglasmalerei neben Münter August Macke in seinen bayerischen Sommern, wie auch Franz Marc und Heinrich Campendonk, die im nahe gelegenen Sindelsdorf wohnten. Die Besuche beim Murnauer Braumeister Johann Krötz (1858–1919) mit dessen umfangreicher Privatsammlung von etwa 1000 Hinterglasbildern brachten für die Maler wichtiges Anschauungsmaterial an bayerischer Hinterglasmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts. Innerhalb kürzester Zeit hatten Kandinsky und Münter selber eine eigene, große Sammlung an europäischen wie außereuropäischen Hinterglasbildern für ihre Münchner und Murnauer Wohnungen aufgebaut.

Die Flächigkeit des Bildaufbaus und Vereinfachung der Formen, die Dominanz der schwarzen Konturlinie mit starkfarbiger Ausgestaltung waren bestimmende Elemente historischer Glasbilder und regten Kandinsky für eigene Arbeiten an. Vier Hinterglasarbeiten zeigte Kandinsky neben den parallel entstandenen, ersten abstrakten Leinwandgemälden 1911/12 in der „Ersten Ausstellung: Blauer Reiter“ in der Modernen Galerie Thannhauser in München. Die „primitive“ Ursprünglichkeit der volkstümlichen Hinterglasbilder wurde auch zu einer wichtigen Inspirationsquelle für den 1912 erschienenen Almanach „Der Blaue Reiter“, in dem zwölf bayerische Hinterglasbilder abgebildet wurden.

Kandinskys Glasbilder stehen motivisch mit Heiligenfiguren, besonders des Hl. Georg und Hl. Martin, dem Thema Allerheiligen und apokalyptischen Szenen in engem Bezug zu seinem Frühwerk, von denen einige mit einem in ein Dreieck eingestelltes „K“ monogrammiert sind. In Murnau wurde die Grundlage von Kandinskys gegenstandsloser Kunst gelegt. Es existieren Entwürfe und Vorzeichnungen, die in seitenverkehrter Form in Hinterglastechnik umgesetzt wurden. So lassen sich einige Bildthemen und Motive zuerst in Glasbildern finden, bevor diese von Kandinsky auf Leinwand, Pappe, als Aquarell, Radierung oder Holzschnitt umgesetzt wurden. Mit Kreationen verschiedenartiger Techniken und Effekten lebte sich Kandinsky als Hinterglasmaler aus: in Form schwarzer Konturenmalerei als Federzeichnung, in der Verwendung von Öl- und wasserlöslichen Farben, mit Gold- und Silberbronzen, geprägten Metallfolien aus Aluminium und Zinn, mit dem Pinsel ausgeführt oder als Fingermalerei. Als Bildträger bediente sich Kandinsky industriell gefertigter Glastafeln, diese entweder plan, strukturiert oder stark wellig. Aus der Zeit zwischen 1911 und 1913 sind zehn unebene Glastafeln, ob als Kathedral- oder Ornamentglas, nachweisbar. Kandinskys Rahmen waren meist schlicht mit glatten oder profilierten Leisten, die er selber, abgeleitet von historischen Vorbildern, mit ornamentaler Bemalung versah.

Nach den juristischen Auseinandersetzungen zwischen Münter und Kandinsky, die von 1922 bis 1927 dauerten, verblieben neben weiteren Kunstwerken die Mehrzahl seiner Hinterglasbilder der Murnauer Jahre bei Münter, die diese 1957 der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München vermachte. Hierunter befinden sich "Auferstehung", August 1911, Inv. Nr. GMS 112, "Allerheiligen II", 1911, Inv. Nr. GMS 122, "Rudern", um 1912, Inv. Nr. GMS 108 und "Apokalyptischer Reiter II", July 1914, Inv. Nr. GMS 106. Für die Ausstellung “Vasily Kandinsky. Painting on glass (Hinterglasmalerei)“ im Solomon R. Guggenheim Museum zum 100. Geburtstag Kandinskys im Jahr 1966 wurden 32 Hinterglasarbeiten aus der Murnauer Zeit in New York präsentiert.

Als Kandinsky mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 Deutschland überstürzt verließ, nahm er 1916 die Hinterglasmalerei in Moskau wieder auf. Auf einer Postkarte vom 12. Juni 1917 teilte er Münter mit, „daß er hauptsächlich auf Glas und Aquarell arbeitet, in der Art der Stockholmer Bagatellen [Ausstellung Gummeson Galerie, Stockholm, 1.2. - 28.2.1916]“ (Gisela Kleine: Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Biographie eines Paares, Frankfurt a.M. 2013, S. 488). Diese kleinformatigen, leicht verkäuflichen ‚Bagatellen‘ hinter Glas sind keine abstrakten Arbeiten, sondern stellen in narrativen Bildszenen biedermeierlich gekleidete Damen und Herren in phantasievollen Landschaften dar. Bereits um 1909 finden sich diese Sujets in Kandinskys Oeuvre, abgeleitet von seiner Begeisterung für Stil und Motivwelt der russischen Kunstbewegung „Mir Iskusstva“.

Hinterglaswerke dieser Art, von denen sich zahlreiche im Staatlichen Russischen Museum in St. Petersburg, im Nationalen Kunstmuseum von Aserbaidschan in Baku und in Moskau, in der Staatlichen Tretjakow-Galerie und im Staatlichen Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin befinden, führte Kandinsky bis 1918 weiter. Als er 1921 zur Aufnahme seiner Tätigkeit am Bauhaus Moskau verließ, gab er neben einigen Gemälden 27 Hinterglasgemälde dem Puschkin Museum zur Verwahrung, die 1929 in Staatsbesitz übergingen und auf die Museen verteilt wurden.

1933, nach Schließung des Bauhauses durch die Nationalsozialisten, emigrierten Wassily und Nina Kandinsky nach Paris. Aus seiner Zeit in Frankreich haben sich lediglich zwei Hinterglasmalereien aus dem Jahr 1936 erhalten, wovon sich eines im Musée National d’Art Moderne Paris befindet. Auch hier unterschied Kandinsky nicht zwischen den Bildträgern, sondern stellte gleich den Leinwandgemälden mit den für das Spätwerk charakteristischen amorphen Strukturen auf Glas dar.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)
Kandinsky (Gabriele Münter Stiftung) und Gabriele Münter. Werke aus fünf Jahrzehnten, Ausst.-Kat. Städtische Galerie Galerie im Lenbachhaus, München 1957.

Grohmann, Will: Wassily Kandinsky. Leben und Werk, Köln 1958.

Roethel, Hans Konrad; Benjamin, Jean K.: Kandinsky. Werkverzeichnis der Ölgemälde, Band I, 1900–1915, München 1982.

Barnett, Vivian Endicott; Friedel, Helmut: Das bunte Leben. Wassily Kandinsky im Lenbachhaus, Köln 1995.
Wassily Kandinskys „Bagatelles“. Painting on Glass, Watercolours and Drawings. 1915–1920, Ausst.-Kat. Staatliches Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau 2017.

Steger, Simon; Oesterle, Diana; Bretz, Simone; Frenzel, Lisa; Stege, Heike; Winkelmeyer, Iris; Hahn, Oliver; Geiger, Gisela: Kandinsky’s fragile art – a multidisciplinary investigation of four early reverse glass paintings (1911 - 1914) by Wassily Kandinsky (in Vorbereitung 2019).

Keller-Schenk, Martha

Kerkovius, Ida (Riga, Lettland 1879 – 1970 Stuttgart)

Die in Lettland geborene Ida Kerkovius studierte zunächst als Schülerin von Adolf Hölzel (1853–1934) in der Künstlerkolonie Dachau. Diese Zeit war prägend, da sie hier das von Hölzel gelehrte flächige Sehen erlernte, mit dem die dreidimensionale Natur auf einen zweidimensionalen Bildträger übertragen wird - ein Stilmittel, das grundlegend für die Hinterglasmalerei ist. Ab 1908 wurde Kerkovius Meisterschülerin von Hölzel an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. 1916 stellte sie in der Ausstellung „Hölzel und sein Kreis“ gemeinsam mit Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Johannes Itten aus.

Von 1920 bis 1923 studierte Kerkovius am Bauhaus bei Itten, Georg Muche, Wassily Kandinsky und Paul Klee; das Weben erlernte sie in der Klasse von Gunta Stölzl. Anschließend kehrte Kerkovius in ihr Stuttgarter Atelier zurück und entwickelte eine neue künstlerische Selbständigkeit. Mit kräftigen Farben verfolgte sie die Auflösung der gegenständlichen Malerei. In den 1950er-Jahren entwarf und gestaltete Ida Kerkovius Glasfenster, u.a. für das Stuttgarter Rathaus. Nur etwa ein Dutzend Hinterglasarbeiten sind überliefert: das »Selbstbildnis (für Fritz Heeg-Erasmus)« als das früheste um 1937, weitere bis in die 1950er/60er-Jahre. Ein Hinterglasbild von Kerkovius von 1937 wurde auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.

Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Kesting, Edmund (1892–1970)

Klee, Paul (Münchenbuchsee, Schweiz 1879 – 1940 Muralto, Schweiz)

Paul Klee, Maler und Grafiker, verließ 1898 für seine künstlerische Ausbildung die Schweiz und zog - entgegen des Wunsches seiner Eltern, die musische Laufbahn einzuschlagen - nach München, um Kunst zu studieren. Nach einem Studienaufenthalt in Italien kehrte Klee in die Schweiz zurück und war von 1902 bis 1906 als Geiger bei der Bernischen Musikgesellschaft beschäftigt. 1905 hatte er begonnen, sich mit der Hinterglasmalerei zu befassen und widmete sich bis etwa 1919 dieser Kunstgattung. Die Quellenschriften Klees in Form von Tagebüchern und Briefen enthalten eine Fülle an Informationen über seine Hinterglastechniken. In seinem Œuvre-Katalog sind 59 Hinterglasbilder dokumentiert, von sehr viel mehr Arbeiten hinter Glas ist auszugehen.

In Klees ersten Hinterglas-Jahren, noch finanziell von seinen Eltern unterstützt, hat sich ein reger Briefwechsel mit seiner Verlobten, der Pianistin Lily Stumpf erhalten, aus dem sich seine Ideen, Experimente und die Umsetzungen in Hinterglas nachvollziehen lassen. Mit dem Umzug nach München 1906 und seiner Heirat nahm Klees grafisches Werk als Radierung und Hinterglasbild, mit einer Neigung zum Ironischen und Skurrilen, einen großen Raum ein. In nachfolgenden Jahren waren es Hinterglas-Porträts, gefolgt von schwarz-weißen Landschaftsbildern sowie Darstellungen nach der Natur (1907 bis 1909) sowie Illustrationszeichnungen zu Voltaires Candide (1911). Die Bildtitel hatten immer eine zentrale Bedeutung, die er sorgfältig wählte oder auch abänderte. Zwei Porträtarbeiten hinter Glas dienten Klee 1906 zum kleinen Broterwerb. Ansonsten trug Lily Stumpf mit Pianounterricht zum Lebensunterhalt der kleinen Familie mit Sohn Felix bei.

Zurück als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg erreichte Klee 1918 seinen künstlerischen und kommerziellen Durchbruch mit Einzelausstellungen in Deutschland. Ab 1920 lehrte er, wie auch Wassily Kandinsky am Bauhaus in Weimar und 1926 in Dessau. Nach der Auflösung des Bauhauses war Klee ab 1931 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, an der auch Heinrich Campendonk lehrte. Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde er 1933 entlassen und ging mit seiner Familie ins Exil nach Bern. Wenn auch seit 1935 gesundheitlich stark geschwächt, hatte Klee in seinen letzten Lebensjahren noch einmal eine sehr produktive Schaffensphase, begleitet von retrospektivischen Ausstellungen. Während seines Kuraufenthaltes im Tessin starb Klee 1940.

Erste Ausstellungen mit einer kleinen Auswahl an Hinterglasbildern im Jahr 1908 auf der Internationalen Kunst-Ausstellung des Vereins bildender Künstler Münchens „Secession“ und 1909 mit sechs Arbeiten auf der Berliner Secession brachten Klee öffentliche Beachtung. Nur noch zweimal, 1910 in der Schweiz und 1920 in München, zeigte Klee einige seiner Hinterglasbilder. Mehr als vierzig Werke verblieben bis 1940 in Künstlerbesitz.

Simone Bretz

 

Literatur (Auswahl)

Glaesemer, Jürgen: Paul Klee. Die farbigen Werke im Kunstmuseum Bern. Gemälde, farbige Blätter, Hinterglasbilder und Plastiken, Bern 1976.

Görtler, Julia: Die Hinterglasmalerei von Paul Klee untersucht an ausgewählten Werken. Quellenbeläge, material- und maltechnische Untersuchungen für zukünftige Konservierungskonzepte, Diplomarbeit Berner Fachhochschule, 2001.

Klee, Paul: Briefe an die Familie 1893–1940, hrsg. von Felix Klee, Bd. 1: 1893–1906, Bd. 2: 1907–1940, Köln 1979.

Klee, Paul: Tagebücher 1898–1918, hrsg. von Paul-Klee-Stiftung, Kunstmuseum Bern, textkritische Neuedition von Wolfgang Kersten, Stuttgart, Teufen 1988.

Salmen, Brigitte: „»wie glücklich die Idee mit den Glasbildern war.«. Hinterglasmalerei von Paul Klee“, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 66, Berlin 2012, S. 206–230.

Zentrum Paul Klee Bern (Hrsg.): Die Hinterglasbilder von Paul Klee, hrsg. vom Zentrum Paul Klee Bern, mit Beiträgen von Michael Baumgartner, Peter Fischer, Gregor Wedekind, Julia Bigler und Patricia Zeppetella, Barbara Scheibli, Köln 2015.

Kölschbach, Joseph (Köln 1892 – 1947 Rhöndorf)

Josef Kölschbach begann 1912 das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Nach dem Besuch der Ausstellung des „Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“ in Köln brach er das Studium ab und wurde freischaffender Künstler. Durch Max Ernst lernte er August Macke kennen, der ihn zu der „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“ in Bonn einlud. Kölschbach stellte dort mehrere Hinterglasbilder und Kompositionen vor. Macke sorgte auch für seine Teilnahme am „Ersten Deutschen Herbstsalon“ der Berliner Galerie „Der Sturm“, wo er eine Komposition und eine Aktkomposition ausstellte, während zwölf Hinterglasbilder bei dem Transport nach Berlin zerbrachen. 1914 nahm Kölschbach mit Glasfensterentwürfen und Malereien an der Werkbundausstellung in Köln teil. Zu den wenigen verbliebenen Hinterglasarbeiten zählt die »Sorgende Frau«.

Bis 1933 reiste Kölschbach regelmäßig nach Paris und pflegte seine Künstlerfreundschaft mit Max Ernst. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten galten seine Bilder als „entartet“ und wurden 1937 in deutschen Museen beschlagnahmt. Auf die politische Repression reagierte Josef Kölschbach mit Depressionen. Nach Ende des Krieges kehrte er 1945 nach Köln zurück.

Diana Oesterle, Simone Bretz

 

Literatur (Auswahl)

Die Rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde, hrsg. vom Städtischen Kunstmuseum Bonn, Ausst.-Kat. Städtisches Kunstmuseum Bonn 1979, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld 1979, Von der Heydt-Museum Wuppertal 1979, Recklinghausen 1979.

Ein expressionistischer Sommer, Bonn 1913, hrsg. von Stephan Berg und Irene Kleinschmidt-Altpeter, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bonn, München 2013.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

L

Lamers, Hanns (Kleve 1897 – 1966 Düsseldorf)

Hanns Lamers hatte in den 1920er-Jahren in München, Berlin und Paris studiert. Seine frühen Arbeiten sind stark expressionistisch geprägt, es folgt eine naturalistische Phase. Nach der Zerstörung fast des gesamten Frühwerks in Zweiten Weltkrieg, fand Lamers 1948 zur Hinterglasmalerei, beeinflusst von Kubismus und Surrealismus. Hier versuchte er als Pazifist die Erlebnisse des Krieges auszudrücken bzw. zu verarbeiten und sich mit dem Zeitgeschehen auseinanderzusetzen. Die aufrechte oder zerbrochene Säule und die klingende oder zerstörte Harfe tauchen dabei immer wieder als Leitmotiv auf. In den 1960er-Jahren wurde seine Kunst wieder abstrakt. Neun Hinterglasbilder, gemalt zwischen 1952 und 1962, wurden auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt. Weit über 100 Hinterglaswerke Lamers sind nachweisbar, die letzten Arbeiten geschaffen bis kurz vor seinem Tod.

Sein Wohnhaus-Atelier in Kleve entwickelte sich zu einem wichtigen Treffpunkt für junge Künstler, darunter Joseph Beuys und Pierre Theunissen.

Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Wöbkemeier, Ruth: Walter Dexel (1890–1973), Werkverzeichnis Gemälde, Hinterglasbilder, Gouachen, Aquarelle, Collagen, Ölstudien, Entwürfe zu Bühnenbildern, Heidelberg 1995.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

 

Leckwyck, Edith van (Antwerpen, Belgien 1899 – 1987 Amsterdam, Niederlande)

Die gebürtige Antwerpenerin Edith van Leckwyck floh 1914, mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs, zusammen mit ihren wohlhabenden Eltern nach Den Haag. Tief beeindruckt von der dortigen Ausstellung "Expressionisten/ Kubisten" der Galerie DER STURM im Kunstsalen d'Audretsch absolvierte van Leckwyck ihren ersten Malkurs, u.a. bei dem belgischen Futuristen Jules Schmalzigaug. Nach dem Krieg lernte sie den persischen Botschafter Prinz Mirra Mahmoud Khan des Beny Saghap kennen, mit dem sie von 1918 bis 1921 verheiratet war. Zurück in Antwerpen wurde van Leckwyck 1923 Schülerin von Floris Jespers, wo sie mit der Hinterglasmalerei in Berührung kam, wie ein frühes Hinterglasbild von 1924 belegt. Anschließend arbeitete sie als freischaffende Künstlerin, mit Ausstellungstätigkeiten in Holland, Belgien und Deutschland von 1927 bis 1935. Ihre künstlerische Tätigkeit setzte sie erst 1962 fort.

1929 lernte van Leckwyck anlässlich einer Ausstellung des Antwerpener Kunstvereins Wassily Kandinsky und Heinrich Campendonk kennen. Nach dieser Begegnung tauschte Campendonk sein Hinterglasbild »Pierrot mit Guitarre« von 1928 (Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. Nr. 10041) mit van Leckwyck, die ihm dafür ihr Gemälde »Vogelfantasmagorie« von 1930 (Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. Nr. 10043) überließ. Das Künstlerpaar, welches 1935 heiratete, unternahm viele gemeinsame Reisen, u.a. nach Norwegen und die Bretagne. Sowohl Campendonk, als auch van Leckwyck setzten die gesehenen Hafeneindrücke künstlerisch um: Campendonk in stilisierten Zeichnungen und Aquarellen, van Leckwyck in dem Hinterglasbild "Lofoten" von 1933, in Privatbesitz, signiert mit “E. van Leckwyck”.

Das Paar lebte seit 1935 in Amsterdam, wo Campendonk an der Rijksakademie für bildende Künste lehrte. Erst nach seinem Tod setzte van Leckwyck ihr künstlerisches Schaffen in Form von Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Pastellen fort und schuf weitere Hinterglasbilder. Die Beteiligung an der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum Mainz zu „Hinterglas-Malerei im XX. Jahrhundert“ mit ihrem Hinterglaswerk »Bretonische Küste« von 1929 hatte sie vermutlich dazu angeregt. Die nur wenigen bekannten, frühen Hinterglasbilder van Leckwycks, alle in Privatbesitz, zeigen Meer- und Hafenszenen sowie Blumenstillleben. Neun Hinterglasarbeiten Campendonks wurden ebenfalls in Mainz präsentiert. Van Leckwyck kümmerte sich um seinen Nachlass und ermöglichte Ausstellungen mit seinen Werken.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)
Heinrich Campendonk, Edith van Leckwyck, Aukt.-Kat. Galerie Wolfgang Ketterer, München 1976.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Lemmé, Maria (1880–1943)

M

Macke, August (Meschede 1887 – 1914 in Perthes-lès-Hurlus, Frankreich)

Anfang 1910 lernte der am Tegernsee lebende August Macke den sieben Jahre älteren Franz Marc kennen. Die beiden verband schnell eine enge Künstlerfreundschaft. Aufgefordert durch Marc beteiligte sich Macke 1911 an der Redaktion des „Almanachs“ sowie an der Ausstellung „Der Blaue Reiter“. In diesem Umfeld lernte Macke die oberbayerische Hinterglasmalerei kennen, deren Technik sich Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in Murnau angeeignet hatten und an die befreundeten Künstler weitergaben. Von Elisabeth Erdmann-Macke (1888–1978) erfahren wir, dass der Besuch „bei einem Bierbrauer in Murnau [Johann Krötz], der eine Riesensammlung davon in verschiedenen Stilen besaß“, für die Maler der Auslöser war, sich mit dieser Technik zu befassen (Bartmann, Dominik: August Macke, Kunsthandwerk, Berlin 1979, S. 29–30). Die Leuchtkraft der reinen Farben auf der Glastafel bestärkte sicherlich Mackes Beschäftigung mit der Wirkung des Lichtes.

Als talentierter Netzwerker und engagierter Ausstellungsorganisator in Köln, Bonn und Berlin war Macke ein wichtiger Vermittler der Hinterglaskunst in den Künstlerkreis des „Rheinischen Expressionismus“. Im November 1910 zog er nach Bonn zurück und unterstützte 1911 das künstlerische Talent von Paul Adolf Seehaus.

Bislang sind neun Hinterglasarbeiten Mackes aus den Jahren 1911/12 bekannt. Das kleinformatige Bild »Hirte mit Tieren«, um 1912, gemalt in seiner Bonner Zeit, machte er Franz Marc zum Geschenk. Das Hinterglasbild »Alte hölzerne Tanzfiguren« von 1911 wurde auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.

Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Mader, Joseph (Landshut 1905 – 1982 Landshut)

Joseph Mader begann 1922 eine Ausbildung als Grafiker an der Münchner Kunstgewerbeschule bei Richard Riemerschmid (1868–1957). Hier lernte er den Künstler und Hinterglasmaler Max Wendl kennen. Dank eines von Riemerschmid vermittelten Stipendiums studierte er 1927–1931 an den Kölner Werkschulen als Meisterschüler von Friedrich Ahlers-Hestermann. Stehen seine Arbeiten anfangs noch ganz im Zeichen des Naturalismus, öffnete sich Mader nun zunehmend den Einflüssen des Expressionismus und des Kubismus. Seine Arbeiten bleiben dabei jedoch stets einer realistischen Bildauffassung verhaftet, wovon die beiden Hinterglasbilder »Szene mit Vogel« und »Tod und Frau«, datiert 1923, Zeugnis ablegen. Ab 1932 arbeitete Mader als freischaffender Künstler in München, wo er ein eigenes Atelier unterhielt und sich an zahlreichen Ausstellungen, u.a. des Deutschen Künstlerbundes, beteiligte. Während des Zweiten Weltkriegs diente er als Sanitäter und geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Als Mitglied der „Neuen Münchener Künstlergenossenschaft“ nahm Mader ab 1947 regelmäßig an der jährlichen „Großen Münchner Kunstausstellung“ teil und stellte in den folgenden Jahren in zahlreichen deutschen Städten aus.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Marc, Franz (München 1880 – 1916 Verdun, Frankreich)

Franz Marc war Maler, Grafiker und zusammen mit Wassily Kandinsky Mitbegründer der Redaktionsgemeinschaft „Der Blaue Reiter“, die im Dezember 1911 ihre erste Ausstellung in München eröffnete. Für den Almanach „Der Blaue Reiter“ (Mai 1912) und andere Veröffentlichungen verfasste Marc kunsttheoretische Schriften. Der Sohn des Landschafts- und Genremalers Wilhelm Marc (1839–1907) nahm 1899 sein Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität München auf und wechselte 1900 an die Königlich-Bayerische Akademie der bildenden Künste in München. Seine Ausbildung brach Marc Ende 1903 nach einiger Reisetätigkeit ab und arbeitete 1904 freischaffend in München, finanziell unterstützt vom Kunstmäzen Bernhard Koehler (1849–1927). 1910 zogen Marc und Maria Franck (1876–1955) nach Sindelsdorf, 1914 nach Ried bei Benediktbeuren. Unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. August 1914 wurde Marc einberufen und fiel 1916 im Alter von 36 Jahren vor Verdun. 1937 diffamierten die Nationalsozialisten sein Werk als "entartete Kunst" und beschlagnahmten 130 Werke aus deutschen Museen.

Im Kreis der Künstlergemeinschaft des „Blauen Reiter“ befasste sich Franz Marc neben Kandinsky, Gabriele Münter auch August Macke in seinen bayerischen Sommern mit der Hinterglasmalerei, ebenso der in Sindelsdorf lebende Heinrich Campendonk. Dass sich die eigene Hinterglasproduktion parallel zu den Redaktionssitzungen am Almanach fortsetzte, belegt folgendes Zitat Franz Marcs an Kandinsky vom 28. Oktober 1911: „Hier nichts neues. Große allgemeine Glasbilderfabrikation.“ (Kandinsky/Marc 1983, S. 67). Kandinsky antwortete Marc einen Tag später und beendete seinen Brief mit den Zeilen: „Also Glasmalzeit! Ihr Glücklichen!“ (Kandinsky/Marc 1983, S. 69).

Die acht bekannten Hinterglasgemälde von Franz Marc nehmen nur einen geringen Teil seines Gesamtoeuvres ein; der Verbleib von vier Arbeiten aus den Jahren 1910 bis 1912 gilt als gesichert. Das kleinformatige »Bildnis Henri Rousseau« von 1910 mit hinterlegter Stanniolfolie (Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München) ging als Geschenk an Kandinsky und wurde von Marc in einer Postkarte vom 1.11.1911 an diesen folgendermaßen erwähnt: […] ich hab selbst sein Selbstporträt in einem Glasbild verewigt, etwas unqualifizierbar, gut, daß es der arme Rousseau nicht mehr sieht“. Das von Henri Rousseau geschaffene »Selbstbildnis mit Lampe« von 1903, welches später im Almanach „Der Blaue Reiter“ abgebildet wurde, diente hierfür als Vorlage.

In der Sammlung Marcs hat sich eine kolorierte Tuschzeichnung aus dem 19. Jahrhundert befunden (PSM Privatstiftung Schloßmuseum Murnau), der in leicht abgewandelter Form die Darstellung des um 1911 gemalten Hinterglasbildes »Innenraum mit Mann und Frau in altdeutscher Tracht« entspricht (Leihgabe der PSM Privatstiftung Schloßmuseum Murnau - Ausst.-Kat. Murnau 2017, Abb. S. 126, 127).

Das Franz Marc Museum in Kochel verfügt über das Hinterglasbild »Landschaft mit Tieren und Regenbogen« von 1911 als Dauerleihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung. Zu diesem Hinterglasbild - gestaltet mit Gouachefarben, bemalter Silberfolie und einer Collage aus Buntpapierstücken als ehemalige Türfüllung in außergewöhnlichem Format von 108,5 x 45,7 cm - wird in der Albertina, Wien die Zeichnung »Schwarzes und Weißes Pferd in Gebirgslandschaft mit Regenbogen« von 1911 aus Marcs Skizzenbuch XXI aufbewahrt (KulturStiftung der Länder 2008, Abb. 7, S. 19). »Landschaft mit Tieren und Regenbogen« zeigte Marc 1911/12 in der Modernen Galerie Thannhauser, München in der Ausstellung „Der Blaue Reiter: die erste Ausstellung der Redaktion“ (außer Katalog). Im darauffolgenden Jahr in Berlin präsentierte Herwarth Walden das Hinterglasbild in seiner „Sturm“-Galerie (Ausst.-Kat. Sturm 1912, Erste Ausstellung), erwarb das Werk von Franz Marc und stellte es im September 1921 und im Februar 1922 erneut aus (Ausst.-Kat. Sturm 1921, Hundertste Ausstellung; Ausst.-Kat. Sturm 1922, Hundertfünfte Ausstellung).  Als Gegenprogramm zur Ausstellung „Entartete Kunst“, die im Juli 1937 in München von den Nationalsozialisten eröffnet wurde, kam es im Juli 1938 in den New Burlington Galleries in London zur Ausstellung „Exhibition Twentieth Century German Art“, auf der Marcs Hinterglasbild mit dem Titel »Animals« gezeigt wurde.

Während die zuvor aufgeführten Glasarbeiten unbezeichnet sind, trägt das Bild »Zwei Pferde in Landschaft« von 1912 unten links die in die Malfarbe radierte Signatur „Marc“. Für das, vermutlich auch mit Gouachefarben, ausgeführte Bild zog Marc die postkartengroße Vorstudie „Rotes und blaues Pferd“ von 1912 (Privatsammlung) in leicht abweichender Ausführung heran. Dieses Hinterglasbild wurde auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt und befindet sich heute in Privatbesitz.

Die Spur des Hinterglasbildes »Tiger im Dickicht« von 1912 hat sich verloren, auch wenn es 1948 noch in der Hinterglas-Publikation von Dieter Keller 1948 abgebildet wurde.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Exhibition of twentieth century German art, Ausst.-Kat. New Burlington Galleries, London 1938, Nr. 163 »Animals«, 1912 (Landschaft mit Tieren und Regenbogen).

Keller, Dieter: Hinterglasbilder, Lorch 1948 (Tiger im Dickicht).

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962, Nr. 37 (Zwei Pferde in Landschaft).

The Solomon R. Guggenheim Museum, New York: Vasily Kandinsky. Painting on glass (Hinterglasmalerei), Anniversary exhibition, 1966, s/w-Abb. 1 (S. 9) (Bildnis Henri Rousseau).

Lankheit, Klaus: Franz Marc. Katalog der Werke, Köln 1970, Nr. 874 (Landschaft mit Tieren und Regenbogen).

Kandinsky, Wassily; Marc, Franz: Briefwechsel. Mit Briefen von und an Gabriele Münter und Maria Marc, München 1983.

Franz Marc - Briefe, Schriften, Aufzeichnungen, hrsg. von Günter Meißner, Leipzig 1989, S. 59 (Landschaft mit Tieren und Regenbogen).

Hoberg, Annegret; Jansen, Isabelle: Franz Marc Werkverzeichnis, Bd. II Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen, Postkarten, Hinterglasmalerei, Kunstgewerbe, Plastik, München 2004, S. 360–361.

Erdmann-Macke, Elisabeth: Erinnerung an August Macke (1962), mit einem biographischen Essay von Lothar Erdmann und 20 Abbildungen, Kohlhammer 1962; 16. Aufl., Frankfurt am Main 2006.

KulturStiftung der Länder: Franz Marc. Landschaft mit Tieren und Regenbogen, hrsg. von der KulturStiftung der Länder, Patrimonia 333 in Verbindung mit der Franz Marc Stiftung, Kochel am See, Berlin/Kochel am See 2008.

Gabriele Münter und die Volkskunst. "Aber Glasbilder scheint mir, lernten wir erst hier kennen.", Ausst.-Kat. Oberammergau Museum, Schloßmuseum Murnau, München 2017.

Marcoussis, Louis (1878–1941)

Mayer-Beck, Friedrich (1907–1977)

Mense, Carlo (Rheine 1886 – 1965 Königswinter)

Carlo Mense - Maler und Zeichner - studierte von 1906 bis 1908 an der Kunstakademie Düsseldorf und schloss 1910 nach Studienaufenthalten in Berlin, Weimar und München seine Ausbildung ab. 1912 nahm er mit mehreren Werken an der „Sonderbund“-Ausstellung in Köln teil und beteiligte sich 1913 mit dem Hinterglasbild »Turm« (Kunstmuseum Bern), gemalt um 1912, an der von August Macke konzipierten Bonner Ausstellung „Die Rheinischen Expressionisten“ im Kunstsalon Cohen. Mit seinem Freund Heinrich M. Davringhausen, vom dem lediglich zwei Hinterglasbilder von 1948 bekannt sind, reiste Mense 1914 nach Ascona (Monte Vertità) und absolvierte anschließend von 1914 bis 1918 seinen Kriegsdienst. Seit 1919 hielt sich Mense häufig in München auf, wo er gute Kontakte zu Paul Klee und der Schwabinger Kunstszene unterhielt.

Lediglich zehn Hinterglasarbeiten Menses sind bekannt (nur eines signiert), von denen sich zwei in öffentlichen Sammlungen und zwei in Privatbesitz erhalten haben. Wenige dieser Bilder sind geprägt durch volkstümliche Inhalte. Die modernen Hinterglasbilder transportieren das avantgardistische Motiv- und Formenvokabular in Form großformatiger Hinterglasarbeiten mit einem expressiven, pastosen Farbauftrag wie bei »Menschen am Fluss«, 1912/13 im LRV-LandesMuseum, Bonn. Die „Zweite Ausstellung: Blauer Reiter“ fand auf Vermittlung von Macke vom 23. bis 31.1.1912 im Gereonsclub in Köln statt. Anregung zur Hinterglasmalerei erhielt Mense wohl hier durch Werke von Wassily Kandinsky sowie durch den Almanach „Der Blaue Reiter“, publiziert im Mai 1912. Möglicherweise regte ihn auch Macke an, der die Hinterglastechnik aus Bayern mitbrachte. Das mit 62 x 47 cm große Hinterglasbild »Kreuzabnahme«, 1914/15 aus Privatbesitz, ist vorder- wie rückseitig bemalt, zu dem der Linoleumschnitt »Kreuzabnahme« von 1915 mit ähnlicher Darstellung existiert.

Der Galerist Herwarth Walden aus Berlin, auf die Rheinischen Expressionisten aufmerksam geworden, ermöglichte Mense 1913 beim „Ersten Deutschen Herbstsalon“ (20.9.–1.12.1913) auch hier, den »Turm« auszustellen. Walden besaß nicht nur dieses Glasbild, sondern drei weitere Arbeiten wie »Frauen am Wasser«, »Mutter Gottes« und die hinter Glas gemalte »Pferdeschwemme« von 1912/13, heute in einer Privatsammlung. Diese drei Werke wurden in Berlin im Oktober 1919 anlässlich der STURM-Ausstellung „Sammlung Walden. Gemälde, Zeichnungen, Plastiken“ gezeigt. Ein Jahr zuvor, in der 42. Ausstellung der Münchner Galerie Neue Kunst Hans Goltz vom Februar bis März 1918, waren zwei Hinterglasbilder Menses präsentiert worden.

Von 1925 bis 1932 wirkte Carlo Mense als Professor an der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau und leitete bis zur Schließung der Akademie mehrere Fachklassen. Oskar Schlemmer, mit dem sich Mense eng befreundete und auch Georg Muche, waren zwei seiner Kollegen. Im Zuge der Beschlagnahmung von Werken, die als entartete Kunst diffamiert wurden, zogen 1937 die Nationalsozialisten 34 Gemälde des Künstlers aus öffentlichen Sammlungen ein und vernichteten sie. Als Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt, musste Mense 1944 aus dem Nichts eine neue Existenz aufbauen, da sein Atelier in Köln vollständig zerstört war. Sein Gesamtwerk ist zu etwa zwei Drittel vernichtet oder verloren gegangen.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Die Rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde, hrsg. vom Städtischen Kunstmuseum Bonn, Ausst.-Kat. Städtisches Kunstmuseum Bonn 1979, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld 1979, Von der Heydt-Museum Wuppertal 1979, Recklinghausen 1979.

Drenker-Nagels, Klara: Carlo Mense. Sein Leben und sein Werk von 1909 bis 1939, mit einem Beitrag von Joachim Heusinger von Waldegg, hrsg. von Werner Schäfke und Sabine Fehlemann, Köln 1993.

Ein expressionistischer Sommer, Bonn 1913, hrsg. von Stephan Berg und Irene Kleinschmidt-Altpeter, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bonn, München 2013.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

www.carlomense.de

Molzahn, Johannes (1892–1965)

Muche, Georg (Querfurt 1895 – 1987 Lindau)

Georg Muche - Maler, Grafiker und Hochschullehrer - absolvierte eine kurze Ausbildung an einer privaten Münchener Kunstschule. In Berlin, von 1914 bis 1917 dort freischaffend tätig, hatte er Kontakt zur Gruppe um Herbert Waldens Galerie „Der Sturm“, wo Muche bereits 1916 ausstellte. Enge Freundschaft pflegte er zu Arnold Topp, der in zahlreichen Sturm-Ausstellungen seine Hinterglasbilder zeigte. Ohne umfangreiche Ausbildung wurde Muche in der neu gegründeten Kunstschule des „Sturm“ 1916 aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten als Lehrer für Malerei angestellt. Nach seinem Militärdienst im Ersten Weltkrieg (1917/18) wurde er 1920 von Walter Gropius an das Staatliche Bauhaus berufen, um dort als Meister und Professor für Holzschnitzerei in Weimar und Dessau bis 1927 tätig zu sein. Es folgten Lehrtätigkeiten in Berlin (1927–1930), in Breslau (1931–1933), bis 1938 wieder in Berlin und ab 1939 bis 1958 in Krefeld. Während des Zweiten Weltkriegs fand auch Muche, neben Oskar Schlemmer und Willi Baumeister ein künstlerisches Betätigungsfeld in der Lackfabrik von Dr. Herberts in Wuppertal, wo er 1942 große Fresken ausmalte.

Als Hinterglasmaler ist Muche, im Gegensatz zu Schlemmer, kaum in Erscheinung getreten. Einzig das im Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in Berlin befindliche Hinterglasbild »Stilleben („Für Hanni“)«, um 1925, mit dem Glasmaß 13 x 18 cm hat sich erhalten. Bei der Adressatin handelt es sich vermutlich um Hanni Ganzer (geb. 1893), die im Sommersemester 1922 im Bauhaus Weimar an der Grundlehre von Georg Muche teilgenommen hat. Als weiterer Nachweis ist einem Brief Muches an Herwarth Walden vom 15.9.1917 (Sturm-Archiv der Staatsbibliothek Berlin) der Hinweis zu entnehmen, dass eine baldige Versendung eines „Glasbildes“ nach Berlin bevorsteht. In vier Ausstellungskatalogen der Galerie „Der Sturm“ von 1917 bis 1919 sind sechs Hinterglasbilder, hier benannt als „Glasbilder“ ohne Titelbezeichnung, aufgeführt (49. Ausstellung vom Februar 1917, Nr. 63, 64; 59. Ausst. vom Januar 1918, Nr. 51; 75. Ausst. vom Juni 1919, Nr. 99; 78. Ausst. vom September 1919, Nr. 11, 22).

1946 nahm Werner Schriefers, der mehr als 500 Hinterglasbilder geschaffen hatte, das Studium der Textilkunst an der Textilingenieurschule in Krefeld bei Georg Muche auf.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Happy Birthday! Bauhaus-Geschenke, Ausst.-Kat. Bauhaus-Archiv Berlin, Museum für Gestaltung, hrsg.für das Bauhaus-Archiv von Klaus Weber, Berlin 2004.

Münter, Gabriele (Berlin 1877 – 1962 Murnau)

N

Nägele, Reinhold (Murrhart 1884 – 1972 Stuttgart)

Reinhold Nägele wurde zunächst als Dekorationsmaler im Familienunternehmen ausgebildet. Als freischaffender Künstler entwickelte er die für ihn typische, mit feinem Pinselduktus gesetzte zeichnerische Figuren- und Landschaftsmalerei und bevorzugte kleine Formate. 1907 wurden seine Werke bei Paul Cassierer in Berlin ausgestellt, was ihm zu erster Öffentlichkeit und Erfolg verhalf. Seit 1922 entwickelte Nägele die anspruchsvolle Technik der Hinterglasmalerei zu seinem speziellen Bildmedium. Phantasievolle, surreale Bilder zeigen ihn als aufmerksamen Beobachter des Zeitgeschehens. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte Nägele mit seiner jüdischen Ehefrau in die USA. 1963 kehrt er in seine Heimatstadt Murrhardt zurück. Die Hinterglasmalerei »Schöpfung« von 1963 gehört zu einem Gesamtwerk von über 280 Hinterglasbildern, entstanden zwischen 1922 und 1970.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Nebel, Otto (1892–1973)

P

Prax, Valentine (Bône/ frz. Algerien 1899 – 1981 Paris)

Aufgewachsen als Tochter des französischen Vize-Konsuls in Algerien, studierte Valentine Prax an der École des Beaux-Arts in Algier. 1919 zog sie nach Paris, wo sie den Bildhauer Ossip Zadkine (1890–1967) kennenlernte und ein Jahr später heiratete. Zadkine vermittelte Kontakte in avantgardistische Künstlerkreise. Vermutlich durch Louis Marcoussis und Heinrich Campendonk inspiriert, fand Valentine Prax zur Hinterglasmalerei - bekannt sind an die 20 Malereien hinter Glas. Ab 1924 stellte Prax ihre Hinterglasbilder in Pariser und Brüsseler Galerien mit großem Erfolg aus. Die Hinterglasmalerei wird in den 1920/30er-Jahren ihre bevorzugte Technik, wie beispielsweise »Jeunesse« von 1928. Mit flüchtigem Pinselstrich führt sie ihre Hinterglasbilder aus, deren Motive meist gegenständlich, manchmal archaisch sind. Vögel, die für eine poetische Leichtigkeit stehen, werden zu Valentines Prax’ Seelentieren.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

R

Rabus, Carl (1898–1983)

Rambold, Heinrich (Murnau 1872 – 1953 Murnau)

Heinrich Rambold, Gerber von Beruf, erlernte die Technik der Hinterglasmalerei um 1885 bei Josef Gege (1860–1919), einem Mitglied der in Seehausen ansässigen Hinterglasmaler-Familie Gege. Dazu äußerte sich Rambold 1906 :„… unentlich freut es mich, daß diese schon längst vergeßenen Bilder doch wieder ins Leben gerufen werden,…den[n] sie haben doch 30 Jahre keinen Wert mehr gehabt … Und nur ein einziger hat noch die Malerei aufrechterhalten daß ist Herr Jos Gege von Seehaußen der sie mir gelernt hat daß die Glasbilder nicht aussterben und das ist meine einzige Freude; denn ich bin von Fach ein Gerber und meine malerei ist Volkskunst…“

Rambold, seiner bayerischen Heimat tief verbunden, sah es als seine Lebensaufgabe, einen Beitrag zur Wiederbelebung der einst im Staffelsee-Raum blühenden Hinterglasmalerei zu leisten. In Murnau meldete er 1906 und 1910 den „Verkauf von selbstgefertigten Glaswandbildern“ an, machte regional und überregional Werbung, daß er „nach alten Zeichnungen Glasbilder malt“. Um 1889/90 begann der Murnauer Braumeister Johann Krötz (1858–1919) volkstümliche Hinterglasbilder zusammenzutragen. In der über 1000 Bilder umfassenden Sammlung befanden sich 16 Arbeiten von Rambold. 1908 wurden die Künstlerpaare Gabriele Münter und Wassily Kandinsky sowie Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky in ihrem Streben nach neuen Lebens- und künstlerischen Ausdrucksformen gerade in Murnau auf die volkstümlichen Hinterglasbilder aufmerksam. Das Erlernen der Technik war nur noch bei Rambold möglich, bei dem Münter sah, „wie man es machen kann“. Zunächst kopierte Münter Bilder von Rambold, genau auf sein Vorbild eingehend. Für ihre eigenen, in moderner Formensprache geschaffenen Hinterglasbilder behielt sie die volkstümlichen Gestaltungsmerkmale der Hinterglasmalerei bei. Rambold sollte somit ein wichtiges Bindeglied zwischen traditioneller und moderner Hinterglasmalerei werden. Nachdem es Münter gelungen war, Kandinsky für die Glasmalerei zu interessieren, malte er „viele“ und kannte schließlich „beinahe keine schönere Arbeit“. Es war die vereinfachte, flächige Hinterglasmalerei, ausgeführt in intensiv leuchtenden Farben, umrahmt von schwarzen Konturen, die dem Bedürfnis der Künstler auf der Suche nach Natürlichkeit und Ursprünglichkeit neue Impulse gab und fortan ihr weiteres künstlerisches Schaffen beeinflussen sollte. Auch die Rahmen von Hinterglasbildern Münters und Kandinskys weisen vielfach eine an Rambolds Stil angelehnte Bemalung mit Punkten, Tupfen, Strichen und Schlangenlinien auf.

Münter und Kandinsky besaßen 130 volkskundliche Hinterglasarbeiten, davon mehr als 20 Bilder von Rambold. Obwohl Rambold mit beiden gut bekannt war, wie Briefzitate belegen, und er von 1922 bis 1925 im „Münter-Haus“ wohnte, ließ er sich von den modernen Kunstströmungen und den mit einer neuen Formensprache gestalteten Hinterglasbildern nicht beeinflussen, sondern blieb seinem eigenen volkstümlichen Stil treu. Entsprechend seiner bayerischen Gesinnung umfaßte sein Motivspektrum bayerische Trachten und bayerisches Brauchtum, geschichtliche Begebenheiten, Murnauer Ortsansichten, verschiedene Namenspatrone und Heilige (originell sein eigens für die Schifahrer erfundener Patron, der „St. Schius“), biblische Szenen, Porträts, Stillleben, Votivtafeln oder Mariendarstellungen diverser Wallfahrtsorte. Auf Glas entwickelte er mit kraftvollen Konturen, „herzhaften Strichen“, einem sicheren Gespür für ausdrucksstark leuchtende, kontrastreiche Farben, Gold- oder Silberbronze, Blattgold oder Silberfolie, gelegentlich ornamental verziert und der Beschränkung auf das Wesentliche seinen typischen volkstümlichen „Rambold-Stil“. Dieser kam auch bei Ruß- und Spiegelbildern, dafür hatte er eine eigene Technik entwickelt, zum Tragen. Abhängig von „Laune und Wertschätzung“ war die „Durchschnittsware für den Tagesbedarf […] flott hingehauen“ – besonders geschätzte Vorlagen dagegen hat er „so gut ausgeführt, wie sie früher von den alten Malern ausgeführt wurden“. Rambold besaß eine Sammlung von Skizzen, graphischen Blättern, Rissen und Glasabzügen sowie eigene Zeichnungen. Neben diesen war er jedoch auch aufgeschlossen für Motive zeitgenössischer Künstler wie Fritzi Löw, Hermann Neuber oder Paul Neu. Seine Werke datierte er selten (z.B. bei Auftragsarbeiten oder Widmungen), versah sie meist mit den Buchstaben „HR“, gelegentlich „MHR“ oder mit seinem vollen Namen.

Die Teilnahme am Ersten Weltkrieg unterbrach das Glasmalen. Zurück in Murnau setzte der die Arbeit fort mit den Worten: „Wann i net a so a Freud dran hätt, am Malen, nacha hätt i’s ja längst scho aufgeb’n…“. Rambold bot seine Bilder in kunstgewerblichen Geschäften an, war in Ausstellungen vertreten, nahm an Umzügen mit einer mit Hinterglasbildern bestückten Kraxe teil, dekorierte damit Schaukästen, lud 1935 anläßlich der 600-Jahrfeier der Markterhebung Murnaus zur Besichtigung seiner „Hinterglas-Malerstube“ ein und gab sein Wissen auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg an Interessierte (auch auswärtige Besucher) und vor allem an die Jugend weiter. Um 1912 zeigte sich ein Schüler Rambolds, der Schriftsteller und Dramatiker Hans Kyser (1882–1940), begeistert: „Alle seine Farben lachen, und er weiß, worauf es ankommt: ein reines Rot und Blau und herzhafte Striche. […] In ihm lebt noch eine Ahnung des Wesentlichen und des Volkstümlichen.“ Kyser kam zum Schluß, ein einzelner könne das Sterben einer Volkskunst nicht aufhalten. Rambold war, wie das auch später, 1940, von Fachleuten festgestellt wurde, der letzte Nachkomme einer sterbenden Volkskunst. Heinrich Rambold hat Hunderte von Hinterglasbildern hinterlassen. Seine Arbeiten erwarben „Sommerfrischler“, Einheimische und Auswärtige, wie Hans Kyser, Josef Bergmann, Otto Nebel, der Volkskundler Rudolf Kriss, der Kunsthistoriker Lothar Pretzel u.a.

Aus der Sammlung Münter/ Kandinsky wurden 1970 drei Hinterglasbilder Rambolds verkauft. Eines erwarb die amerikanische Sammlerin Mildred Lee Ward, zwei Ulfert Wilke, der Direktor des Museum of Art der University of Iowa. Rambolds Hinterglasbilder finden sich in privaten Sammlungen sowie öffentlichen Institutionen: Bayerisches Nationalmuseum, München; Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V., München; Gabriele Münter- u. Johannes Eichner-Stiftung, München; Museum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Berlin; Schloßmuseum Murnau; Historischer Verein Murnau; Staffelseemuseum Seehausen; Museum Polling; Museum Werdenfels, Garmisch Partenkirchen; Oberammergau Museum; Diözesanmuseum Würzburg. Hinterglasbilder Rambolds waren ausgestellt in Leutkirch 1921, Murnau 1922, 1933, 1935 (1967, 1993 Gedächtnisausstellungen), in Penzberg 2013, in einer Sonderausstellung in Seehausen 2018 (Auswahl).

Irene Dütsch

 

Literatur (Auswahl)

Kyser, Hans: „Ueber eine sterbende Volkskunst“, in: Berliner Tageblatt, 6.9.1912.

Brisch, Klaus: Wassily Kandinsky (1866–1944). Untersuchungen zur Entstehung der gegenstandslosen Malerei an seinem Werk 1900–1921, Diss., Bonn 1955.

Glatzel, Ursula: Zur Bedeutung der Volkskunst beim Blauen Reiter, München 1975.

Dütsch, Irene: „Die Tradition geht weiter: Aus der Geschichte der Murnauer Hinterglasmalerei“, in: Schriften des Historischen Vereins Murnau, Jahrbuch 2001-2003, S. 51-126.

Dütsch, Irene: „Auf den Spuren bayerischer Volkskunst“, in: Historischer Verein Erding e.V., Jahresschrift 2004, S. 7-83.

Dütsch, Irene: „Eine kulturgeschichtliche Reise 1912 und ihre Folgen. Besuch bei Münter und Kandinsky in Murnau und Jaques-Dalcroze in Hellerau“, in: Schriften des Historischen Vereins Murnau, 29. Jg., Jahrbuch 2012, S. 97-138.

Gabriele Münter und die Volkskunst. „Aber Glasbilder scheint mir, lernten wir erst hier kennen.“, Ausst.-Kat. Oberammergau Museum und Schloßmuseum Murnau 2017.

S

Schamoni, Albert (Hamm 1906 – 1945 an der Ostfront vermisst)

Albert Schamoni studierte an der Kunstakademie Düsseldorf kurzzeitig in der Klasse Heinrich Campendonks und kam möglicherweise hier mit der Technik der Hinterglasmalerei in Berührung. Lebenslange Freundschaft verband ihn mit den Malerkollegen Josef Horn und Otto Coester. Ab 1937 lehrte er als Studienrat am Gymnasium in Gelsenkirchen. Im Jahr 1942 wird er als Soldat eingezogen und ist seit Januar 1945 an der Ostfront (Weichselbogen/ Polen) vermisst.

Zwischen 1926 und 1936 arbeitete Schamoni mehrfach mit den tschechischen Verlegern Josef Florian, Josef Portman und Otto František Babler zusammen und illustrierte 19 als Handpressendruck erschienene Bücher, unter anderem von Franz Kafka. Das nachgelassene Werk von Albert Schamoni hat seine Frau über den Zweiten Weltkrieg gerettet, wozu wenige Hinterglasarbeiten zählen, wie »Ganymed (Aufstieg)« von 1931.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Schlemmer, Oskar (Stuttgart 1888 – 1943 Baden-Baden)

Zwischen 1903 und 1905 ließ sich Oskar Schlemmer als kunstgewerblicher Zeichner in einer Stuttgarter Intarsienwerkstatt ausbilden. 1911–1912 arbeitete er als freier Maler in Berlin und hatte in dieser Zeit Kontakt zu Herwarth Waldens Galerie „Der Sturm“. 1912 kehrte Schlemmer nach Stuttgart zurück und wurde Meisterschüler Adolf Hölzels (1853–1934), 1921 als einer der ersten Meister durch Walter Gropius an das Staatliche Bauhaus in Weimar berufen. Von 1929 bis 1932 hatte Schlemmer eine Professur an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau inne, gefolgt von einer Professur im Juni 1932 an den Vereinigten Staatsschulen für Kunst und Kunstgewerbe in Berlin, wo er 1933 fristlos entlassen wurde. Obwohl Schlemmer Mitglied in der Reichskulturkammer wurde, war seine Kunst in Deutschland als „entartet“ verfemt.

Das Hinterglasbild »Geneigter Kopf« entstand zwei Jahre vor seinem Tod und zeigt eine reduzierte Farbigkeit und die Hinwendung von Oskar Schlemmers Figurendarstellungen zu gesteigerter Introspektion. Neun Hinterglasbilder, zwischen 1939 und 1942 gemalt, wurden auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.

Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Schriefers, Werner (Dülken 1926 – 2003 Köln)

Werner Schriefers – Künstler, Designer, Hochschullehrer und Sammler – studierte zwischen 1943 und 1945 Kunstgeschichte in Köln, unterbrochen durch den Militärdienst. Kurz nach 1945 hatte Schriefers Kontakt zum Architekten Heinz Rasch (1902–1996), der in einem Atelier in Wuppertal-Elberfeld verfolgten Künstlern wie Oskar Schlemmer, Willy Baumeister und Georg Muche vor den Nachstellungen der Nationalsozialisten ein „künstlerisches Asyl“ geboten hatte. Von 1946 bis 1948 studierte Schriefers als Assistent von Muche an der Textilingenieurschule in Krefeld. Mit nur 23 Jahren wurde er 1949 an die Werkkunstschule Wuppertal für den Bereich Flächenmusterung und Textilgrafik berufen und baute die Abteilung „Grundlagen der Gestaltung“ auf. 1965, als Direktor der Kölner Werkschulen, setzte Schriefers den Schwerpunkt vermehrt auf die Formgebung. Bis 1989 lehrte er als Professor für Malerei an der Fachhochschule Köln. Seine umfangreiche Design-Sammlung stiftete Schriefers 1986 der Universität Wuppertal und 2002 seine Werk- und Formensammlung dem erzbischöflichen Diözesanmuseum Kolumba in Köln.

Werner Schriefers schuf ein umfangreiches Oeuvre: Gemälde, gemalt mit Wasser-, Tempera- und Ölfarbe, Pastell und Acryl, außerdem Hinterglasbilder und Zeichnungen - vom Gegenständlichen bis zur Abstraktion. Auf die zum Teil im Trümmerschutt gefundenen Glastafeln begann Schriefers 1946, sich mit der Hinterglaskunst ein eigenes Terrain zu erobern. In dem Wuppertaler „Studio für Neue Kunst“ zeigte Heinz Rasch Hinterglasbilder von Schriefers, die zwischen 1946 und 1949 entstanden waren. Das Hinterglasbild "Zentrum" von 1949 in einer Privatsammlung (monogrammiert/ datiert: „W.S 49“) bildet eine klar ausgearbeitete Komposition mit dicht gemalten, kompakten Flächen ab. Johannes Cladders jun. (1924–2009) äußerte sich zu den frühen Hinterglaswerken Schriefers: „Bilder intimen Charakters, verhalten in den Farben, Rot- und Blautöne dominieren und glühen mit einer hintergründigen Intensität, wie sie nur das Glas hervorzubringen vermag, auf dessen Rückseite sie aufgetragen wurden. Es sind freie farbliche Spiele, zunächst strukturiert durch eine Formenwelt, die dem Geometrischen verpflichtet ist. Gegenständliches läßt sich in ihnen mehr erahnen als identifizieren.“ (Cladders 1991, S. 11).

Die Inspiration für die Hinterglasmalerei fand Schriefers im Kreis Krefelder Kollegen der „Künstlergruppe 1945“, besonders über Johannes Cladders sen., dem Vater eines Mitschülers, der sich ab 1944 als freiberuflicher Kunstgewerbemaler ausschließlich der Hinterglasmalerei widmete. Beide bezogen sich auf das Werk der frühen Expressionisten wie Heinrich Campendonk, welcher diese Technik aus Bayern an den Niederrhein mitgenommen hatte. 1950 stellten die Künstler gemeinsam in der Hinterglasausstellung „Johannes Cladders und Werner Schriefers“ in der Krefelder Buchhandlung Uhrig aus (Schriefers/Schriefers 2004, S. 38).

In Schriefers Kunstschaffen nahm die Hinterglasmalerei eine wichtige Stellung ein, welche er zeitlebens verfolgte. Insgesamt schuf er über 500 Werke, von denen die meisten signiert und datiert sind. Die Bildinhalte reichen vom geometrischen Landschaftsbild über informelle Hinterglasbilder sowie impressionistisch anmutende Hinterglasarbeiten der 1980er-Jahre und die skripturalen Werke der 1990er-Jahre. Die gesellschaftlichen Unruhen und den folgenschweren Raubbau der Umwelt verarbeitete Schriefers zwischen 1968 und 1976 mit einer großen Hinterglas-Werkgruppe, die er als „Smog-Zyklus“ bezeichnete. Derartige Hinterglas-Landschaften mit hoher transparenter Wirkung wurden mit der Spritzpistole aufgebrachten Malfarben und Bronzen bereichert. Werner Schriefers Werk wurde auf zehn Ausstellungen zwischen 1945 bis 1961 im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld gezeigt. Es folgte 1971 eine große Schau mit „Hinterglasbildern und Glasobjekten 1969–71, Smoglandschaften und Banditen“. 1999 entstand ein letztes, großformatiges Werk hinter Glas. Hinterglasmalereien Werner Schriefers finden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen.

Simone Bretz, Diana Oesterle, Thomas Schriefers

 

Literatur (Auswahl)
Cladders, Johannes: »Bilder-Bogen, Erinnerungen und Beobachtungen anlässlich des 65. Geburtstages von Werner Schriefers«, in: Werner Schriefers, 45 Jahre Malerei, Ausst.-Kat. Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln, Köln 1991.

Schriefers, Werner. Bilder, Ausst.-Kat. Werner Schriefers - Bilder Hinter Glas und Neue Arbeiten, Stadtmuseum Siegburg und Werner Schriefers - Bilder von 1946 bis heute, Städtische Galerie im Park, Viersen, Siegburg/Viersen 1999.

Schriefers, Magret; Schriefers, Thomas: Werner Schriefers, … arbeiten wie der Vogel singt, Bramsche 2004.

Kraus, Stefan; Surmann, Ulrike; Steinmann, Marc; Flüe, Barbara von: Werner Schriefers, Kolumba – Werkhefte und Bücher, Band 45, Köln 2016.

Schrimpf, Georg (1889–1938)

Schülein, Julius Wolfgang (München 1881 - 1970 New York)

Der einer jüdischen Kaufmannsfamilie entstammende Julius Wolfgang Schülein - Landschaftsmaler und Graphiker - entschloß sich nach seinem 1904 beendeten Jura-Studium für eine künstlerische Laufbahn. Seine Ausbildung in München währte von 1905 bis 1907. Von 1909 bis 1930 wurde München Schüleins Lebensmittelpunkt, 1930 übersiedelte er nach Berlin, 1933 nach Paris, bevor er schließlich 1941 in die USA flüchtete. Schülein schuf insbesondere impressionistisch gestaltete Landschaften und Städtebilder, festgehalten in Zeichnungen, Aquarellen, Ölgemälden, Radierungen, Lithographien und Hinterglasbildern. Über seine Beschäftigung mit der Hinterglasmalerei, die offensichtlich nur eine Randerscheinung in seinem umfangreichen Oeuvre einnimmt, liegen spärliche Informationen vor. Nicht bekannt ist, wann und durch wen er dazu angeregt wurde. Möglicherweise waren es der Kontakt mit den Künstlern des „Blauen Reiter“ oder frühe Aufenthalte in Oberbayern bzw. in Murnau, wo er die Hinterglasbilder-Sammlung des Braumeisters Krötz angesehen haben könnte. Die Technik hätte sich Schülein bei dem damals letzten Hinterglasmaler Heinrich Rambold aneignen können.

Erstmals präsentierte Schülein seine Hinterglasbilder der Öffentlichkeit im Mai 1918. Damit war er „der Erste unter den Modernen, der mit einer großen Serie von 33 Glasbildern (bei Georg Caspari ausgestellt) hervortrat“. Im Schülein-Teilnachlass des Leo Baeck Instituts New York hat sich dazu eine Katalog-Aufstellung erhalten. Dreizehn Hinterglasbilder mit religiösen Motiven (u.a. „St. Hubertus“, „Judas“, „Heimsuchung“, „Madonna in Landschaft“) dürften noch in Anlehnung an die volkstümliche Hinterglasmalerei entstanden sein. Ansonsten vermied Schülein „Anleihen bei der Bauernmalerei“, wie die Titel der weiteren zwanzig Hinterglasbilder in der Aufstellung zeigen. Bei diesen widmete sich der Künstler neuzeitlichen, profanen Themen wie nicht näher bezeichnete Orte („Vorstadt“, „Stadt am Fluß“, „Dorf“) und Örtlichkeiten („Brücke“, „Eisenbahnbrücke“, „Park“), „Märchen“, Alltagsszenen („Auf der Veranda“, „Ernte“, „Eislauf“), meteorologischen Erscheinungen („Regen“, „Winter“) oder auch „Zwei Mütter“ und „Mutter und Kind“. Zeitgenössische Presseberichte lobten Schüleins Geschmack und Geschicklichkeit bei der Kombination von Farbe und Linie. Die in der Ausstellung gezeigten matt-schwarz gerahmten Malereien auf kleinem, oft winzigem Format erzielten mit ihrem farbigen Glanz eine emailartige Wirkung. Allerdings seien Schüleins „mit der Geste des Oelmalers oder Aquarellisten oder des Illustrators“ hinter Glas gemalte Bilder, die „kolorierten Federzeichnungen“ ähnelten, nicht mehr zu vergleichen mit der Naivität alter volkstümlicher Hinterglasmalerei.

Diesen Eindruck verdeutlichen zwei 1918 veröffentlichte Schwarz-Weiß-Reproduktionen von Hinterglasbildern mit den Ansichten von Egern am Tegernsee und Wasserburg am Inn. Es sind die einzigen bekannten Abbildungen, denn Schüleins Hinterglasbilder gelten als verschollen. Im Jahr 1918 waren in der IV. Ausstellung der Münchener Neuen Secession (Galerie Thannhauser) vier nicht näher bezeichnete Glasmalereien zu sehen. Ob Schülein in späteren Ausstellungen noch mit Hinterglasmalereien vertreten war, ist nicht bekannt. Auch über die beiden im Nachlass erwähnten, signierten Hinterglasbilder des Künstlers (Town in the Mountain und Copy of a Japanese erotic scene) sowie „Five Hinterglasbilder“ (Bavarian Baroque Style) weiß man bislang nichts.

Irene Dütsch

 

Literatur

Mayer, A[lfred]: "Hinterglasmalereien von J.W. Schülein", in: Deutsche Kunst und Dekoration, Bd. 43 (1918–1919), S. 328–329.

Schülein, Julius W.: Heitere Hoffnungslosigkeit: Rückblick und Selbstporträt, Horn (Niederösterreich) 1968.

Julius W. Schülein 1881–1970. Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Druckgraphik, Ausst.-Kat. Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1973.

Armbruster, Fritz: „Julius Wolfgang Schülein (1881–1970), Maler“, in: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Lebensläufe, hrsg. von Manfred Treml und Wolf Weigand unter Mitarbeit von Evamaria Brockhoff, München 1988, S. 273–279.

Lütgemeier, Gertrud: Julius Wolfgang Schülein (1881 - 1970): Ein jüdischer Maler aus München. Eine Biografie, online, Stand: 10.05.2013.

Dütsch, Irene: „Julius Wolfgang Schülein (1881–1970). Vor 50 Jahren endete ein von künstlerischer Arbeit ausgefülltes Leben“, in: Schönere Heimat, 109. Jahrgang, 2020, Heft 2, S. 97–106.

Schwitters, Kurt (1887–1948)

Seehaus, Paul Adolf (Bonn 1891 – 1919 Hamburg)

Die künstlerische Begabung von Paul Adolf Seehaus wurde früh von dem, um nur wenige Jahre älteren August Macke gefördert. Von 1911 bis 1914 bildete Macke ihn als „Meisterschüler“ aus und machte Seehaus mit aktuellen Kunstströmungen wie Fauvismus, Kubismus und Futurismus vertraut. Für die „Ausstellung Rheinischer Expressionisten“ im Kunstsalon Friedrich Cohen in Bonn (10.7.–10.8.1913) wählte Macke mehrere Gemälde, Aquarelle und zwei Hinterglasbilder von Seehaus (unter dem Pseudonym „H. G. Barnett“). Auch auf dem „Ersten Deutschen Herbstsalon“ der Galerie „Der Sturm“ in Berlin (20.9.–1.12.1913) war Seehaus mit einigen Werken vertreten. Die zeitgenössische Kunstkritik hob ihn als vielversprechendes Talent hervor.

Für Anfang 1918 organisierte Seehaus die Ausstellung „Das Junge Rheinland“ im Kölnischen Kunstverein (1.1.–30.1.1918), an der er selbst mit Werken teilnahm. Im November 1918 beendete er das Kunstgeschichtsstudium mit Promotion an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Im Alter von 27 Jahren verstarb Paul Adolf Seehaus an einer Lungenentzündung. Durch seinen frühen Tod ist Seehaus heute als Expressionist weitgehend in Vergessenheit geraten.

Neun, nicht signierte Hinterglasbilder, geschaffen zwischen 1912 und 1917, sind bekannt, von denen fünf Arbeiten verschollen sind. Anregung zur Hinterglasmalerei erhielt Seehaus vermutlich durch Macke, der wiederum die Hinterglastechnik aus Bayern im Umfeld des „Blauen Reiter“ mitbrachte. Die »Wasserschöpferin«, um 1914 einer Privatsammlung als kleinformatiges Hinterglasbild wird der Gruppe der Figurenbilder zugerechnet, welche um 1914 entstanden sind.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Die Rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde, hrsg. vom Städtischen Kunstmuseum Bonn, Ausst.-Kat. Städtisches Kunstmuseum Bonn 1979, Kaiser Wilhelm Museum Krefeld 1979, Von der Heydt-Museum Wuppertal 1979, Recklinghausen 1979, S. 361–380.

Ein expressionistischer Sommer, Bonn 1913, hrsg. von Stephan Berg und Irene Kleinschmidt-Altpeter, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bonn, München 2013, S. 23, 94.

Dering, Peter: Paul Adolf Seehaus (1891–1919), Leben und Werk, Monographie und Werkverzeichnis, August Macke Haus, Bonn 2004.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017, Farb-Abb. (S. 12, 13), S. 72.

Soulages, Pierre (1919)

Stegemeyer, Elfriede (1908–1988)

Steinitz, Käthe (1889–1975)

T

Teuber, Hermann (1894–1985)

Topp, Arnold (Soest 1887 – 1945 verschollen, 1961 für tot erklärt)

Arnold Topp, zunächst als Volksschullehrer ausgebildet, folgte seiner künstlerischen Berufung und erhielt von 1909 bis 1911 eine Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Königlichen Kunstschule in Düsseldorf. 1913 ging Topp aufgrund einer Anstellung als Sport- und Zeichenlehrer in die Stadt Brandenburg an der Havel, wo er bis 1940 mit seiner Familie wohnte. Während regelmäßiger Berlinaufenthalte entstanden Freundschaften mit dem Architekten Bruno Taut (1880–1938) und seinem Künstlerkollegen Georg Muche. Bedeutsam für seine künstlerische Entwicklung war ab 1918 der Austausch mit Fritz Stuckenberg (1881–1944) und ganz besonders mit dem flämischen Dichter Paul van Ostaijen (1896–928). In Berlin pflegte Topp den Kontakt zu Herwarth Walden, in dessen Galerie „Der Sturm“ er von 1915 bis 1928 ausstellte. Seine beruflichen Erfolge zeigten sich auch international mit Beteiligung an Ausstellungen in Skandinavien (Kopenhagen), der Schweiz, USA, Sowjetunion und Japan.

Die Auseinandersetzung Tauts mit dem Medium Glas mag Topp zur Hinterglasmalerei geführt haben. Mutmaßlich haben ihn auch die Glasbilder von Nell Walden angeregt – Topp war häufig Gast im Hause Walden. Auf der Gemeinschaftsausstellung von Walden, Topp und Hans Sittig, der 63. STURM-Ausstellung 1918, war Topp mit neun, Nell Walden mit 14 Hinterglasarbeiten vertreten. Weitere Glasbilder Arnold Topps wurden auf der 75. Ausst. im Juni 1919 mit zwei Arbeiten, der 104. Ausst. im Jan. 1922 mit vier Arbeiten und der 123. Ausst. im Sept. 1923 mit 11 Arbeiten gezeigt. Mit jeweils nur einem Glasbild war er auf folgenden Berliner STURM-Ausstellungen vertreten: 128. Ausst. im Feb. 1924, 133. Ausst. im August 1924, 134. Ausst. im September 1924, 136. Ausst. im Nov. 1924, 141. Ausst. im Mai/ Juni 1925, 142. Ausst. im Juli 1925 und der 144. Ausst. im Sept. 1925, außerdem im Jahr 1923 in Kopenhagen, in Kristiania und in Göteborg sowie 1924 in Gera. Das Hinterglasbild »Stillleben mit blauer Vase« von 1916 (Kunstmuseum Bern) wurde auf der Ausstellung 1962 im Gutenberg-Museum in Mainz gezeigt.

Nur wenige der Hinterglaswerke Topps haben sich erhalten, 49 Bilder sind überliefert, von weit mehr ist auszugehen, von etlichen ist der Verbleib unbekannt. Das früheste überlieferte Hinterglasbild stammt aus dem Jahr 1916, weitere entstanden bis 1925 (z.B. »Glasbild 3, Bild mit roter Form« von 1918, (Privatsammlung) und »Blumen« von 1922 (Privatsammlung); an die 20 Arbeiten aus dem 1933er-Jahr sind verschollen.

Über die 104. Sturm-Ausstellung im Januar 1922, u.a. mit Arnold Topp, schrieb Curt Bauer, dass seine „große Kollektion von Ölgemälden, Aquarellen, Glasbildern, Holzschnitten… (d)ie kubistischen Linienüberschneidungen den Gegenständlichen einen Spielraum (lassen)… Vom Alltäglichen gelangen wir zum Metaphysischen. Dann steigern sich die sonst gedämpften Farben aus Blau-Grau in leuchtendes Rot und Gelb. Topp ist kein himmelsstürmendes Talent, aber er redet in seiner anspruchslosen, kubistisch gegliederten Einfachheit eine sympathische Sprache“ (Curt Bauer: Berliner Kunstausstellungen, in: Der Cicerone, XIV. Jg. 1922, S. 86).

Zu den in der 123. Sturm-Ausstellung (September 1923) gezeigten Hinterglasbildern, wie z.B. »Malven«, 1923, Privatsammlung, äußerte sich Willi Wolfradt folgendermaßen: „Einige mit Gold und Silber unterfütterten Hinterglasmalereien sind wirklich hübsch.“ (Willi Wolfradt: „Berliner Ausstellungen“, in: Der Cicerone, XV. Jg. 1923, S. 851).

Der große Verlust zahlreicher Werke Topps ist einerseits der nationalsozialistischen Beschlagnahmeaktion 1937 geschuldet, andererseits der möglichen Plünderung seines Ateliers in Meseritz (heute Polen); Topp war 1940 dorthin versetzt worden. 58jährig wird er im letzten Kriegsjahr zum Volkssturm einberufen. Seit einem Kampfeinsatz galt er als verschollen und wurde 1961 für tot erklärt. Vermutlich fiel Topp noch im letzten Kriegsmonat 1945. Erst im Jahr 2007 gelang Rainer Enders mit dem Erstellen eines Werkverzeichnisses die künstlerische Rehabilitierung Arnold Topps.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Enders, Rainer: Arnold Topp. Ein Lebensbild mit einem Werkverzeichnis von Thomas Greifeld & Rainer Enders, Weimar 2007.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

U

Uhlenhuth, Marianne (Bamberg 1895 – 1952 München)

Die in Bamberg geborene Künstlerin Marianne Uhlenhuth leitete von 1924 bis 1944 die Klasse für Stoffdruck an der renommierten Frankfurter Städelschule. Ab 1952 lebte sie als freischaffende Künstlerin in München. Sie experimentierte mit verschiedenen Techniken wie Wachskreide, Aquarell, Gouache und Tusche, zumeist als abstrakte Werke. Das Hinterglasbild aus dem Jahr 1954 ist die einzig bekannte Glasarbeit von ihr. Stilistisch zeigt es die Nähe zu Uhlenhuths flächigen Teppich- und Stoffentwürfen.

Diana Oesterle

 

Literatur

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Unruh, Kurt von (1894–1986)

V

Vincenz, Hans (1900–1976)

W

Walden, Nell (Karlskrona, Schweden 1887 – 1975 Bern, Schweiz)

1912 heiratete die Schwedin Nell Rosland den Berliner Publizisten und Galeristen Herwarth Walden (1878–1941). Sie wurde zur wichtigsten Geschäftspartnerin im Unternehmen „Der Sturm“.

Auf einer Reise nach München lernte Nell Walden die Künstler des »Blauen Reiter« sowie Gabriele Münter und deren Sammlung an volkskundlicher Hinterglasmalerei kennen. Von diesem Erlebnis inspiriert, begann sie 1915, selbst Hinterglasbilder anzufertigen. Über das anfängliche Kopieren traditioneller Motive gelangte sie zu gegenständlichen eigenen Kompositionen in abstrakter Malweise. Ab 1917 stellte sie eigene Hinterglasbilder im „Sturm“ aus, ermutigte weitere Künstler zu dieser Technik und beeinflusste damit maßgeblich die Verbreitung der Hinterglasmalerei in andere Kunstkreise.

Parallel baute sie sich eine eigene Kunstsammlung auf, in welcher sich ebenfalls Hinterglasarbeiten von „Sturm“-Künstlern befanden. Nach der Scheidung von Herwarth Walden 1924 führte Nell Walden sowohl ihre Sammlertätigkeit als auch ihr Kunstschaffen fort. Ihr eigens geführtes Werkverzeichnis listet über 100 Hinterglasmalereien auf, von 1916 bis 1972. Drei Hinterglasbilder von 1915 und 1923 wurden auf der Ausstellung im Gutenberg-Museum in Mainz im Jahr 1962 gezeigt.

Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-MuseumMainz, Mainz 1962.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Weiers, Ernst (Oespel 1909 – 1978 Bernried)

Die künstlerische Begabung des in Westfalen geborenen Ernst Weiers – Maler, Grafiker und Glasmaler – wurde früh erkannt und durch Kontakte zu den expressionistischen und avantgardistischen Künstlern Christian Rohlfs und Karl Schmidt-Rottluff gefördert. Bei Johan Thorn Prikker (1868–1932) erlernte Weiers 1926 in Krefeld die Kunst der Glasmalerei. Innerhalb seines Studiums an der Kunstakademie in Düsseldorf von 1929 bis 1933 bei Heinrich Campendonk und Paul Klee schien für Weiers als Meisterschüler von Klee eine vielversprechende Laufbahn möglich. Campendonk prägte den jungen Maler besonders durch seine Glasfenster, vermutlich auch durch Hinterglasmalereien. Ein frühes Hinterglasbild Weiers, "Vorfrühling" von 1930 (signiert, datiert mit „Weiers 1930“), Pinakothek der Moderne, München, weist die Einflüsse durch seine Lehrer an der Akademie im Stil des gegenständlichen Konstruktivismus auf. Auch Gottfried Brockmann, von dem sich einige Hinterglasbilder erhalten haben, war zu dieser Zeit ein Schüler Campendonks.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und der folgenden NS-Kulturpolitik galt auch Weiers als verfemt. Seiner Existenz als Künstler wurde der Boden entzogen, auch wenn er mit begrenzten Ressourcen und stetiger Angst vor Entdeckung weitermalte. Ab 1939 war er als Soldat in Polen und Russland. Anders als viele seiner ebenfalls eingezogenen Kollegen malte Weiers weiter und dokumentierte den Krieg. Nach der Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1948/49 setzte er in Bernried am Starnberger See seine künstlerische Arbeit fort. Thematisch standen diese Werke noch stark unter dem Eindruck des Erlebten, erst in den Folgejahren wurde sein Schaffen bunter und gelöster.

Der Münchner Galerist Günther Franke (1900–1976) war ein großer Förderer und bot Weiers 1951 ein Forum, wo der Künstler Hinterglasbilder aus den Jahren 1936 und 1949 präsentieren konnte. Bei Franke folgte 1954 eine große Ausstellung mit 15 Hinterglasarbeiten, die Weiers ein Jahr zuvor gemalt hatte; 1959 war er ebenfalls dort mit neun Glasbildern vertreten. 1958 stellte Weiers Gemälde, Hinterglasbilder und farbige Lithographien in der Galerie Alex Vömel in Düsseldorf aus. Er entwickelte eine eigene Position zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, welches sich in dem Hinterglasbild "Der Specht klopft" von 1957 (monogrammiert, datiert mit "EW.57"), Privatsammlung ausdrückt. Alex Vömel stellte für die Ausstellung "Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert" im Gutenberg-Museum, Mainz, drei aktuelle Weiers-Kompositionen in Hinterglastechnik von 1962 zur Verfügung.

Innerhalb des Zeitraums von 1930 bis 1962 sind 44 Hinterglaswerke Weiers, hauptsächlich Naturdarstellungen, bekannt, von denen sich einige in Museen und die größere Anzahl in Privatsammlungen befinden.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)

Ernst Weiers: Oelgemälde, Hinterglasbilder, Farbige Lithographien, Ausst.-Kat. Galerie Alex Vömel, mit Beitrag von Hans Konrad Röthel, Düsseldorf 1958.

Hinterglasmalerei im XX. Jahrhundert, hrsg. von Günter Pfeiffer, Ausst.-Kat. Gutenberg-Museum Mainz, Mainz 1962.

Ernst Weiers. Zum 100. Geburtstag, hrsg. von Gemeinde Bernried am Starnberger See, Bernried 2009.

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

Franz Weiss (1921–2014)

Max Wendl (München 1904 – 1984 München)

Max Wendl, der als Maler, Grafiker und Künstler von Glasmalerei und Werken angewandter Kunst ein umfangreiches Oeuvre hinterlassen hat, wurde in eine künstlerisch-musische Familie geboren. Der Vater, Joseph Max Wendl, pflegte als Vergoldermeister enge Kontakte zur Münchner Künstlerszene wie zu Franz von Stuck und Richard Riemerschmid (1868–1957), der später Lehrer von Wendl an der Münchner Kunstgewerbeschule (1921 bis 1926) und den Kölner Werkschulen (1926 bis 1931) wurde. Das Erlernen der Vergoldungstechnik beim Vater und deren Anwendung auf Hinterglasbildern als Technik des Églomisés sind auf diese prägenden Einflüsse zurückzuführen.

Eine Glasmalereiausbildung absolvierte Wendl zwischen 1919 und 1921 an der Bayerischen Hofglasmalerei van Treeck in München. Es folgte das Studium bei Riemerschmid, der ihn zeitweise finanziell unterstützte. An der Kunstgewerbeschule wurde ein reformorientierter Ansatz in allen Bereichen der bildenden und angewandten Kunst verfolgt. Ende 1923 schuf Wendl erste Hinterglasbilder, die er in einem Brief an Riemerschmid beschrieb: „Mir sind einige Glasbilder recht hübsch gelungen…“ (Marks-Hanßen 2011, S. 12). Von einem, um das Jahr 1925 geschaffenen Hinterglas-Kreuzweg von 14 Stationen mit schwarzen, zarten Konturlinien und übergroßen, gelängten Figuren, haben sich fünf eglomisierte Glasarbeiten erhalten; die 14 Vorzeichnungen sind noch vorhanden ("Kreuzwegstation 6: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch", um 1925, Privatsammlung). Es ist nicht bekannt, ob es sich hierbei um eine Auftragsarbeit für eine Kirchenausstattung handelte, die Größe der Glastafeln von 31 x 26 cm lassen jedoch darauf schließen.

Zusammen mit seinem Studienkollegen und Freund, Joseph Mader, setzte Wendl 1926 seine künstlerische Ausbildung in Köln fort und wurde Meisterschüler von Johan Thorn Prikker (1868–1932), der die Klasse für Mosaik, Glasmalerei und Wandbild innehatte. Die Glasarbeiten, die sich aus der Münchner und mehrheitlich der Kölner Studienzeit erhalten haben, sind allesamt Hinterglasmalereien. 1928 erhielt Wendl über Thorn Prikker den Auftrag, für die Weltfachschau der „Internationalen Presse-Ausstellung“ in Köln das Zeitungswesen in einem Bildprogramm als Einheit von technischem und geistigem Schaffen in Hinterglastechnik umzusetzen. Im Empfangsraum des Rheinischen Museums, das zentrale Ausstellungsgebäude der PRESSA, wurde Wendls Werk präsentiert. Den Umfang der nicht mehr erhaltenen Wandpaneele mit dem Titel »Die Zeitung als Spiegel der Zeit«, an verschiedenen Stellen mit „Max Wendl, Köln“ signiert, gibt einzig ein Foto wieder. Die neun vertikalen schmalen Bahnen mit acht, etwa quadratischen Glastafeln „kirchenfensterähnlichen Hinterglasgemälde“ stellen das einzige Zeugnis monumentaler profaner Hinterglasmalerei Wendls dar (Marks-Hanßen 2011, S. 105-107).

Die Beteiligung an der „Deutschen Werkbund-Ausstellung“ in Köln im Jahr 1929 bedeutete für Wendl, neben Teppichentwürfen, Intarsien und anderen Kunstwerken, auch zwei Hinterglasbilder zeigen zu können.
Nach dem Zweiten Weltkriegs setzte Wendl 1945 sein künstlerisches Schaffen am Chiemsee fort, konnte aber nicht mehr an seine vielversprechende Karriere anknüpfen. Kleinformatige Hinterglasbilder, die er bei Bauern in der Umgebung gegen Lebensmittel eintauschte, sicherten die Grundversorgung in der Nachkriegszeit.

Humoristische, karikierende Arbeiten, aber auch der Themenkomplex „Mensch und Tier“ beschäftigten Wendl zeitlebens, umgesetzt in zahlreichen Hinterglasbildern der 1950er- und 1960er-Jahre (z.B. "Ballspielende Kinder und Tiger", 1950, Privatsammlung). Es waren zum Teil rechteckige Glastafeln oder asymmetrisch zugeschnittene, blasige und grünlich getönte Abfallgläser, die Wendl hintermalte - diese zumeist ungerahmt und nur mit Papierklebestreifen auf der Unterlage befestigt. Bekannt sind über 50 Hinterglasarbeiten in privaten Sammlungen aus sämtlichen Schaffensperioden zwischen 1923 und 1972, vorderseitig unsigniert und nicht datiert, lediglich auf der Rückseite mit handschriftlichen Vermerken versehen. Max Wendl zählt zu den Künstlern der „verschollenen Generation“, deren Werk aufgrund der historischen und kunstpolitischen Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zumeist in Vergessenheit geraten ist.

Simone Bretz, Diana Oesterle

 

Literatur (Auswahl)
Marks-Hanßen, Beate: Max Wendl. 1904-1984, Zeugnisse künstlerischer Vielfalt, Malerei, Grafik, Glaskunst, Entwürfe, mit Beiträgen von Angela Schiffhauer und Ulrike Weinert, Förderkreis Expressiver Realismus e.V. München, Neue Monografische Reihe, Band 4, hrsg. von Ingrid von der Dollen, Bad Honnef 2011

Tiefenlicht. Malerei hinter Glas von August Macke bis Gerhard Richter, Ausst.-Kat. Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Penzberg 2017.

www.max-wendl.de